Brigadier a D Jürg Keller führt seine Reihe beliebter und bewährter Kurzreisen durch die Dispositive der Schweizer Armee während des 2. Weltkrieges diesmal im Berner Oberland fort. Ziel seiner diesjährigen Reise sind die  Infanteristischen- und artilleristischen Befestigungsanlagen am Thunersee und eingangs des Simmen- und Kandertals

Ab dem Sommer 1940 hatte die 3. Division zwischen Hohgant und Kaiseregg, später dann Stockhorn, die Eingänge zum Zentralraum mit Schwergewicht entlang der beiden Thunerseeachsen zu sperren. Dies, nachdem Teile der Bernerdivision bis dahin für Einsätze im Fricktal vorgesehen waren.

Der Abschluss des Deutsch-Französischen Waffenstillstands führte zur heute legendären Umgruppierung schweizerischer Kräfte, die General Guisan am 25. Juli 1940 auf dem Rütli begründete und der Truppe mittels nachfolgenden Armeebefehls zur Kenntnis brachte.

„Ich habe kürzlich wichtige Umgruppierungen unserer Kräfte angeordnet. Viele haben dies in dem Augenblick festgestellt, wo ihre Einheit disloziert worden ist. Sie haben sich gefragt, warum die ausgeführten Werke scheinbar zwecklos geworden sind, warum die Armee überhaupt noch unter den Waffen stehe. Ich weiss, dass ihr meine Befehle ausführt, selbst wenn draussen an der Front die Gründe nicht immer erkennbar sind, welche sie veranlasst haben. Trotzdem liegt mir daran, Euch die wichtigsten unter ihnen mitzuteilen: …

Die geschichtlichen Ereignisse, die sich in der letzten Zeit unter unsern Augen abspielten, haben unsere Pflicht, wachsam zu sein, in nichts verringert. Es befinden sich zur Zeit ennet unserer Grenzen mehr Truppen denn je und zwar ausgezeichnete. Was vor einigen Wochen noch unvorstellbar war, liegt heute im Bereich der Möglichkeit: Wir können von allen Seiten zugleich angegriffen werden.

Die Armee hat sich dieser neuen Lage anzupassen und eine Aufstellung zu beziehen, die ihr gestattet, sich auf allen Fronten wirksam zu verteidigen. Auf diese Weise wird sie ihre geschichtliche Aufgabe erfüllen, die sich grundsätzlich nicht verändert hat.

Hier liegt der Grund für die Umstellungen an denen Eure Einheit beteiligt war.

Es muss Euch genügen, dies zu wissen.Heute, auf dem Rütli, der Wiege unserer Freiheit, habe ich die höheren Truppenkommandanten versammelt, um ihnen diesen Armeebefehl auszuhändigen, mit dem Auftrag, ihn Euch zu übermitteln. …

Der General“

Programm

Freitag

Individuelle Anreise nach Thun

0945 Besammlung beim Bahnhof

Fahrt mit zwei Kleinbussen nach Heiligenschwendi. Besichtigung der gleichnamigen Sperrstelle. Kaffeepause und Einführung in das Tagesthema. Weiterfahrt nach Sigriswil und durchs Justistal zum Artilleriewerk „Waldbrand“. Mittagessen im Artilleriewerk und Besichtigung der Anlage. Anschliessend Fahrt mit der Beatenbergbahn zur Beatenbucht und Besichtigung des Infanteriewerks „Fischbalmen“. Weiterfahrt nach Interlaken, Informationen zu den „Bödeli“ Werken. Abendessen und Übernachtung**** in Aeschi bei Spiez.

Samstag

Abfahrt nach Aeschiallmend. Behandlung der Thematik der Artillerie-Bunker. Weiterfahrt und Besuch des Artilleriewerkes Faulensee. Nach einer Kaffeepause Weiterfahrt über Einigen nach Mülenen mit Informationen zur Kander- und Spissi- Sperre. Mittagessen in Mülenen. Anschliessend Besuch der Infanterie- und Artillerie-Bunker der Sperre Mülenen. Weiterfahrt nach Hondrich und Besuch des dortigen „KP Heinrich“.

1650 Eintreffen am Bahnhof Thun,  individuelle Heimreise

Reiseleitung

Brigadier a D Jürg Keller, Sugiez

René Steiner’s Reisebericht

(Reduiteingang Thunersee als PDF downloaden)

Nach der Begrüssung durch Reiseleiter Brig a DJürg Keller und seinen Assistenten Hans-Ulrich Frei fuhren die zwei Teilnehmerinnen und die 24 Teilnehmer in zwei Kleinbussen Richtung Heiligenschwendi. Bereits nach kurzer Fahrt kam der erste Bunker ins Blickfeld. Bei Trachtwege wurde uns ein Stück der Sperre Heiligenschwendi und das allgemeine Sperrstellenkonzept an den vorhandenen Objekten kompetent und praxisnah erläutert. Leider war beim Kaffeehalt im Restaurant Bellevue nichts mit einer schönen Sicht in die Berner Alpen. Immerhin zeigte sich kurz vor dem Aufstieg des Nebels der Thunersee. Entschädigt wurden wir jedoch voll und ganz durch die Einführung in das Reisethema mittels einer der legendären Power-Point-Präsentationen unseres Reiseleiters.

Gestärkt ging es auf unbekannten und wilden Pfaden durchs Justital zum Artilleriewerk Waldbrand. Auf dem werkseigenen «Parkplatz» erwartete uns der heutige Kommandant, Philippe Studer. Mit zügigen Schritten und staunenden Augen ging es an verschiedensten kleineren und grösseren militärischen Ausstellungsobjekten vorbei direkt in den Essraum. Es war nicht für jeden einfach, sich hier ruhig hinzusetzen und den feinen Spatz und die Cremeschnitte zu geniessen. So musste Herr Studer uns nicht zweimal zur Führung bitten. Wohl als Vorsichtsmassnahme gemeint, wurde prägnant und klar die Weisung erteilt, zusammenzubleiben: «Nicht dass dann einer erst bei der nächsten Führung wieder zum Vorschein kommt!» Natürlich reichte die Zeit nicht aus, um die vollständige Anlage und alle ihre Ausstellungsstücke zu besichtigen sowie das unerschöpfliche Wissen von Herrn Studer abzurufen. Auch dann nicht, als er das Tempo seiner Ausführungen der zur Verfügung stehenden Restzeit noch anpasste. Erstaunlich, wie schnell Berner sprechen können!

Wieder am Tageslicht fuhren wir mit der Beatenberg- Standseilbahn zur Beatenbucht, vorbei an der ehemaligen Ausstiegstelle zum Artilleriewerk Schmockenfluh. Hier wurden wir von Silvio Keller und Helfern erwartet. In einem kurzen Spaziergang ging es zuerst zur ehemaligen Sperre mit Besichtigung des Sperrstellenmagazins und dann hoch zum Infanteriewerk Fischbalmen. Im Gegensatz zum vorgängig besichtigten Artilleriewerk kann man bei Fischbalmen von einer «familiären» Anlage, bestehend aus einem Kampfstand und einer guten Stube, sprechen. Hier trifft die Bezeichnung «klein aber fein» vollumfänglich zu. Die Verantwortlichen sind auch hier mit Herzblut dabei.

Auf der Weiterfahrt nach Interlaken konnten geübte Augen verschiedene militärische Objekte erkennen. Am ehemaligen Standort des Festungswachkorps wurden uns die «Bödeliwerke» in einer ausgezeichneten Präsentation vorgestellt. Anhand einer Karte konnten wir zudem feststellen, dass Interlaken ein Hochkonzentrat an militärischen Anlagen ist/war. Ich fragte mich, ob es da überhaupt noch einen Felsen gibt, der nicht ausgehöhlt wurde. Die Planer der Autobahnumfahrung Interlaken hatten hier für die Streckenführung des Tunnels keine einfache Aufgabe. Als Schlusspunkt des ersten Tages ging es hoch zu den Artilleriebunkern «Sandgruebe» von Aeschiallmend, wo der Tag militärisch mit Füsilierwetter endete. Im Hotel gab es vor dem Nachtessen noch eine Überraschung in der Person eines Apérosponsors. Dabei handelte es sich um keinen geringeren als den GMS-Reisechef David Accola, dem es ein Anliegen war, Jürg Keller für seinen Einsatz als bewährter Reiseleiter hier persönlich zu danken.

Der zweite Tag begann nach einer kurzen Einführung mit der Hinfahrt zum Artilleriewerk Faulensee. Nach der Begrüssung durch Kurt Steineggerund seine Crew ging es in zwei Gruppen in die Anlage. Sofort entschwand die erste Gruppe durch den FWK-Eingang, um dann erst nach geraumer Zeit wieder beim Geschütz 1 ans Tageslicht zu gelangen. Während der Führung durch die Anlage wurde wiederum eine Fülle von Informationen und Anekdoten vermittelt. Kleinste Details, wie z.B. das mobile WC, wurden uns praxisnah vorgestellt. Wie oft habe ich beim Besuch von Festungsmuseen diesen Teil wahrgenommen, doch die Funktionsweise nie hinterfragt. Jetzt weiss ich, wie ausgeklügelt der Mechanismus des Beuteleinlegens funktioniert hat, und woher vermutlich das Robidog System stammt! Während der Kaffeepause im «Festungsbeizli» wurden wir von Hans Rudolf Schoch mit Bildern in das nächste Thema, die Sperrstelle Kander, eingeführt. Nach kurzer Fahrt standen wir kurz darnach oberhalb von Einigen innerhalb eines Teils dieser Sperre. Rund um uns herum die verschiedenen Bunker in tadellosem Tarnzustand. Wer wäre da auf die Idee gekommen, dass diese Ställe Kampfstände waren! Auch hier im Gelände wiederum hochinteressante Ausführungen, Anekdoten und für mich der schmerzliche Hinweis auf den Abbruch eines Bunkers beim Schulhaus: Ein wunderbar getarnter Bunker im Stil eines Berner Chalets musste auf Geheiss der Schulbehörde im Zuge einer Schulhauserweiterung weg. Doch offenbar hat dieser Bunker noch seine Zähne gezeigt, denn der Abriss hat eine ungeplant stolze Summe verschlungen.

Nach dieser Feldbesichtigung ging es nach dem Motto «Rund um die Burgflue» weiter Richtung Simmental. Erste Objekte konnten bereits nach Reutigen und weiter taleinwärts erspäht werden. Diese Sperre war auf beide Seiten ausgerichtet. Nach einem Schwenker über Oey ging es an weiteren Objekten vorbei hinauf zur Sperre Burgmatte. Sie wurde wiederum an engster Stelle in klassischer Manier – links ein Felswerk, rechts ein Bunker – gebaut. Auch schon frühere Generationen fanden diese Stelle geeignet zur Verteidigung: Etwas unterhalb sind noch Geländeresten einer Letzi sichtbar. An dieser Stelle wurde auf das ausgeräumte, hoch über dem Schloss Wimmis thronende Artilleriewerk Burgflue mit seiner enormen Feuerkraft, hingewiesen. Auf dem weiteren Weg passierten wir die Artilleriestellung Heustrich und einige umgenutzte Magazine. Das wiederum feine Mittagessen im Bären in Mülenen, direkt an der alten Letzi gelegen, konnten wir in aller Ruhe geniessen. Einige waren bald froh, dass sie sich wieder bewegen konnten, denn mit dem Supplement hatte jeder mehr als genug gegessen. Auf dem Parkplatz der Niesenbahn, wo uns eine ganze Schar von Betreuern erwartete, gab es eine kurze und gut bebilderte Einführung zu dieser Sperre, und dann ging es zügig zu einem Infanteriebunker neben der Kander. Der nur mit Petrollampen ausgerüstete Bunker strahlte fast Alphüttenromantik aus, wäre der Zweck nicht ein anderer gewesen. Es folgten die drei nebeneinander liegenden Artilleriebunker auf der anderen Talseite und der umgenutzte Käsekeller, der zuletzt als Minenmagazin gedient hatte. Als Höhepunkt des zweiten Tages konnte sicher das nächste Ziel, der KP Heinrich in Hondrich, genannt werden. Nach einem kurzen Aufstieg lauschten wir den Ausführungen von Hans Ueli Frei. Danach durften die Teilnehmer/innen versehen mit einem Situationsplan die Anlage selbständig erkunden. Damit keiner verloren ging, standen an neuralgischen Stellen Helfer zur Verfügung. Die Fotografen kamen auch auf ihre Rechnung, sofern sie ihre Zeitplanung gut gemacht hatten. Schliesslich galt es, sich im Essraum einzufinden. Die in der Anlage auf den verschiedenen Treppen und Gängen abgebauten Kalorien wurden dank einem «Zimis» mit regionalen Produkten wieder aufgebaut. Besten Dank dafür und die liebevolle Bewirtung.

Damit ging diese für Geist, Augen und Chipkarten vollgepackte GMS-Reise ihrem Ende entgegen. Erst musste noch der Abstieg vom Hondrichhügel – mit etwas Öl am Hut – geschafft werden. Der Rücktransport an den Bahnhof Thun funktionierte tadellos, so dass nach der Verabschiedung alle pünktlich und mit vielen Eindrücken wieder ihrer Wege zogen. Allen Führern und Helfern/Helferinnen, die uns durch die zahlreichen Anlagen geführt und uns an ihrem unerschöpflichem Wissen teilnehmen liessen, gebührt unser bester Dank. Dem Apéro-Sponsor nochmals unser «engraziel fetg!» Ein ganz herzliches «Dankeschön» gebührt Reiseleiter Jürg Keller, der uns mit einer Super-Dokumentation und ergänzenden Ausführungen versorgt und umsichtig geführt hat.

Text: René Steiner (Treiten)