Die Militärgeografie und ihr Einfluss auf Kriege und die Geschichte steht im Mittelpunkt dieser Exkursion unter der Leitung von Gerhard Wyss. Anhand des Wasserschlosses bei Windisch und der historischen Schlachten und modernen Dispositive wie der Limmatarmeestellung von 1939/40 und „ZEUS“ 1989/91 kann die These belegt werden, dass wer den Raum zwischen Limmat, Aare und Napf/Hauenstein, also das mittlere Mittelland, besass, auch die gesamte Schweiz dominieren konnte. Dies traf für die römische Schweiz, die habsburgische Schweiz, die Alte Eidgenossenschaft und den modernen Bundesstaat zu. Neben der Besichtigung des habsburgischen Hausklosters Muri AG, einer kulturellen Trouvaille, steht das letzte Grunddispositiv „ZEUS“ von 1989/91 mit Schwergewicht Raum FAK 2 im Mittelpunkt der Exkursion. Hier wurde der operative Zusammenhang Stufe Armee gewahrt, und – „ZEUS“ bildet am Ende einer jahrzehntelangen operativen Entwicklung Höhepunkt und Abschluss der Abwehrdoktrin gemäss der Konzeption vom 6.6.66 und der Armee 61.

Mittwoch

Start im Wasserschloss bei Turgi-Vogelsang am Zusammenfluss von Reuss und Limmat in die Aare. Bedeutung dieses hydrologischen und geografischen Zentrums der Schweiz. An der alten Fährstelle von Stilli werden die entscheidende Voraussetzung von Genieaktionen auf die Kriege von 1712 und 1799 inklusive Geniewesen der Armee 61 beleuchtet. Im Raum der Linnerhöhe nehmen wir einen Kaffee und einen Einblick in den Schlüsselraum Mitte von der Jurahöhe nach Süden. Auf Schloss Habsburg wird die Bedeutung dieses Geschlechtes und sein Einfluss auf die Schweizer Geschichte sowie die Heraldik des Aargaus dargestellt. Mittagessen auf Schloss Habsburg. An den Brücken von Mellingen und Bremgarten wird der Stellenwert dieser Übergänge und der Gemeinen Herrschaften Baden und Freiamt als Schlüsselräume für die Alte Eidgenossenschaft erläutert. Anhand der Villmergerkriege von 1656 und 1712 wird auf dem Schlachtfeld die Bedeutung der Militärgeografie und der Wechsel der innereidgenössischen Hegemonie dargestellt. Weiterfahrt nach Muri AG mit Überblick FAK 2 im Dispo „ZEUS“ von 1989/91. Zimmerbezug. Abendessen in einem schönen Bergrestaurant in Kallern. Übernachtung in Baar

 Donnerstag

Vortrag Militärgeografie der Schweiz und Bedeutung des Schlüsselraumes Mitte in der Schweizer Geschichte. Anschliessend Besichtigung des Klosters Muri mit Führung. Verschiebung auf den Rooterberg mit Orientierung über das Gefecht von Gisikon 1847 und Einblick in den Schlüsselraum Mitte Richtung Norden zum Jura. Mittagessen in Root. Verschiebung in den Raum Uitikon/Urdorf/Dietikon mit Darstellung des Limmatüberganges der Franzosen 1799 und der Bedeutung der Limmatstellung 1939/40. Abschluss mit Würdigung des Schlüsselraumes Mitte im Dispo „ZEUS“ von 1989/91 Stufe Armee und einem Apéro im Ortsmuseum von Dietikon. Anschliessend Rückfahrt nach Zürich

 

Reiseleitung

Gerhard Wyss, Oberst i Gst, Kirchdorf BE

 

 Hans Rudolf Herdener’s Reisebericht

( Schlüsselraum Mitte als PDF zum downloaden)

Im Mittelpunkt dieser von Oberst i Gst Gerhard Wyss souverän geführten Exkursion standen die Militärgeografie und das Wasserschloss bei Windisch. Die historischen Schlachten und die Dispositive von 1939/40 im Zweiten Weltkrieg und von «ZEUS» 1989/91 im Kalten Krieg belegen die These, dass derjenige, der den Raum zwischen dem Wasserschloss, Hauenstein/Napf und Luzern besitzt,auch das ganze Mittelland beherrscht.

Nach dem Einstieg in das Thema auf Vierlinden am Bözberg begann die Reise mit dem Blick von der Brücke Vogelsang auf die Aare und die Einmündungen von Reuss und Limmat. Auf einem Raum von etwas mehr als einem km² entwässern diese drei Flüsse das Gros des schweizerischen Staatsgebietes. Ihr Zusammenfluss bildet das hydrologische Zentrum unseres Landes. Die Distanz von hier bis zur Landesgrenze bei der Einmündung der Aare in den Rhein beträgt nur 12 km, eine sehr geringe operative Tiefe des Grenzraumes. Beim benachbarten Dorf Stilli befindet sich ein seit Jahrhunderten verwendeter Flussübergang über die Aare. Er wurde 1269 erstmals erwähnt und ist unter anderem 1712 (2. Villmergerkrieg) und 1799 (General Masséna) für militärische Übersetzaktionen benützt worden. Nicht von ungefähr ist das benachbarte Brugg seit längerem das Zentrum der Schweizer Genietruppen.

In einer kurzen Fahrt gelangten wir zum Schloss Habsburg, wo über Bedeutung und Schicksal der Habsburger Dynastie orientiert wurde. Sie herrschte nach 1550 über ein Weltreich, in dem „die Sonne nie unterging“, und die erst mit der Niederlage von 1918 im Ersten Weltkrieg von der weltpolitischen Bühne abtrat.

Zwei schmucke Aargauer Städtchen wachen über seit Jahrhunderten benützte Reussübergänge. Mellingen wurde 1230 von den Grafen von Kyburg gegründet und mit einer Ringmauerbefestigt. Es wurde im Laufe der Jahrhunderte nicht weniger als zwölfmal von Truppen besetzt. Hier referierte Genie-Oberst Jürg Frick über die Voraussetzungen für einen militärischen Flussübergang. Es sind dies gut fahrbare Zu- und Abfahrtswege, die Eignung der Ufer, die Strömungsstärke und die Beschaffenheit des Flussbodens. Alle diese Faktoren sind sowohl bei Mellingen als auch bei Bremgarten gegeben. Das über der Reuss thronende Städtchen entstand nach 1230 und erhielt kurz danach von Graf Rudolf IV. von Habsburg das Stadtrecht. Die historische Brücke wurde schon zur Zeit der Stadtgründung erstellt, 1953 abgebrochen und wiederum als gedeckte Brücke neu aufgebaut. Bis zum Bau der Autobahn A1 führte die Achse Zürich–Bern durch die Bremgartner Altstadt und über diese Brücke.

Der Tag schloss an einem Waldrand nordwestlich von Villmergen mit der Schilderung der beiden Villmergerkriege (1656 und 1712). Kriegsparteien waren die wirtschaftlich starken reformierten Städte Bern und Zürich einerseits und die fünf landwirtschaftlich ausgerichteten katholischen Orte Uri, Schwyz, Unterwalden, Luzern und Zug anderseits. Diese beiden Waffengänge fanden im katholischen Freiamt statt, ging es doch vor allem auch um den Besitz der Brücken von Mellingen und Bremgarten, welche die beiden reformierten Städte miteinander verbanden. Wegen der undisziplinierten Kriegführung der Berner und der Abwesenheit der Zürcher gewannen die Fünf Orte den ersten Krieg. Im nachfolgenden Dritten Landfrieden wurden die Gemeinen Herrschaften Baden und Freiamt den Fünf Orten zugesprochen und rekatholisiert. Im zweiten Feldzug in der Ebene zwischen Dottikon und Villmergen siegten dank der hervorragenden Führung der Berner die beiden Städte. Im Vierten Landfrieden fielen der nördliche Teil des Freiamtes sowie Baden mit seinem bedeutenden Limmatübergang an die beiden Städte zurück, sie konnten aber ihre Religion behalten. Dieser wichtige religiöse Toleranzfrieden galt biszum Untergang der Alten Eidgenossenschaft im Jahre 1798.

Der zweite Tag begann mit einem Referat über die Bedeutung der Militärgeografie im Allgemeinen und der beiden schweizerischen Schlüsselräume im Besonderen. Die bestimmenden Faktoren eines Krieges sind Raum, Zeit und Mittel. Auf die Schweiz bezogen sind die beiden entscheidenden Räume das Wasserschloss von Windisch für das Mittelland und der Gotthard für den Alpenraum. Wer diese besitzt, beherrscht praktisch das ganze Land. Von besonderem kulturellem Interesse war die Besichtigung des im Jahre 1027 gestifteten Klosters Muri. Unter der kundigen Leitung von Klosterführer Harry Ketterer bestaunten wir andächtig das überaus reich verzierte Kirchenschiff mit seinen Fresken, dem wunderschönen Chorgestühl und den fünf Orgeln. In der 1970 eingerichteten Familiengruft des Hauses Habsburg ruhen die Herzen des letzten Kaiserpaares Karl I. und seiner Gemahlin Zita. Das Kloster wurde 1841 vom Aargauer Grossen Rat aufgehoben, die Mönche dislozierten in das Konvent Gries bei Bozen und die Anlage beherbergt seither die Aargauische Pflegeanstalt und die Gemeindeverwaltung Muri.

Nach einer Verschiebung zur Kapelle Michaelskreuz auf dem Rooterberg und einer Orientierung über das Gefecht von Gisikon im Sonderbundskrieg von 1847 folgten als letzte Stationen die Besichtigung des Gedenksteins für General Massénas Limmatübergang von 1799 bei Glanzenberg (Dietikon) und der Besuch des Ortsmuseums von Dietikon. Hier wurden wir in das Dispositiv „ZEUS“, die damals hochgeheime Planung des Armee-Einsatzes im Kalten Krieg, eingeweiht. Das Schwergewicht unserer Kampfführung hätte einmal mehr im Schlüsselraum Wasserschloss gelegen. Einem Angriff der russischen oder wahrscheinlich eher der tschechischen Armee wäre das zwischen Bodensee und Linth–Zürichsee–Limmat eingesetzte FAK 4 mit hinhaltendem Widerstand begegnet. Dann hatte das FAK 2 den Auftrag, den Raum zwischen Limmat und Emme bis zum Letzten zu halten. Hierzu setzte es die F Div 5 zwischen dem Limmat- und dem unteren Seetal und daran anschliessend die F Div 8 bis zur Emme ein. Im Süden dieser beiden Divisionen hielt sich die Mech Div 4 bereit, zugunsten der einen und/oder anderen entscheidend einzugreifen. Jenseits der Emme stand das FAK 1, das primär den Nordwesten und den Westen abzusichern hatte und das sekundär die Armeereserve bei einem Angriff aus dem Osten darstellte. Das Geb AK 3 hielt den Alpenraum.

Gesamthaft bildete diese Exkursion ein abwechslungsreiches Hors d’oeuvre mit vielen Schnäppchen. Vielleicht wäre auch eine Beschränkung auf einige wenige Schwerpunkte, insbesondere das Dispositiv „ZEUS“, denkbar gewesen. Dem Reiseleiter Oberst i Gst Wyss danken wir aber für zwei sehr interessante und abwechslungsreiche Tage, die allen Teilnehmern viel zu bieten vermochten.

Text: Dr. Hans R. Herdener († 20.12.2012)