„Am Tage vor Sankt Othmar aber wollte nun Herzog Leopold mit seinen Kriegern zwischen einem gewissen Berg und einem See, genannt Egrersee,in das Land eindringen, wegen der Steilheit und Höhe des Berges wurde er jedoch daran gehindert. […]“

Dieser Ausschnitt aus der Brennwald-Chronik (1513) führt uns mitten hinein in die Problematik dieser ersten „Freiheitsschlacht“ der Eidgenossen. Die Quellen lassen vieles offen, was von der Tradition in den vergangenen Jahrhunderten mit eindrücklichen Bildern gefüllt worden ist. Im Kloster Einsiedeln, im Bundesbriefarchiv in Schwyz und auf dem Schlachtfeld am Morgartenberg soll versucht werden, die Spuren zu lesen.

08.15 Abfahrt mit Bus ab Zürich, Carparkplatz Sihlquai
Fahrt nach Einsiedeln. Besichtigung der Klosterkirche und der Bibliothek

12.15 Mittagessen im Restaurant Wysses Rössli in Schwyz. Besuch Bundesbriefmuseum. Anschliessend Verschiebung
nach Morgarten Besichtigung des Schlachtfeldes mit Geländebegehung

Rückfahrt nach Zürich
18.00 ca. Ankunft in Zürich, Carparkplatz Sihlquai

Reiseleitung

Hans Rudolf Fuhrer, PD Dr. phil., Meilen

 

Fred Nyffeler’s Reisebericht

Die Schlacht am Morgarten 1315

Die Schlacht am Morgarten – ein eidgenössischer Freiheitskampf, eine Mär oder eine Sage? Fehde oder Wirtschaftskrieg? Mythos oder Realität? All dies fragten sich viele Teilnehmerinnen und Teilnehmer, die in Einsiedeln nach kurzer Fahrt zu einem Kaffee ausstiegen. Auf der Fahrt dahin hatte der Reiseleiter PD Dr. Hans Rudolf Fuhrer in eindrucksvoller Weise die Exkursion Eingeleitet.

Obwohl mit der Schlacht eine erste Periode der eidgenössischen Geschichte (1291–1315) verbunden ist, ist diese ein umstrittenes Thema. Nebst verschiedenen kritischen Publikationen konnten vor allem bis heute keine Bodenfunde gemacht werden. Die Schlacht ist unter anderem im Weissen Buch von Sarnen nicht erwähnt; überhaupt findet sie weitgehend nur bei ausländischen Autoren Erwähnung – also keine Realität? Der vom Reiseleiter als Beispiel vorgetragene Text aus einem schweizerischen Geschichtsbuch von 1966 kann wahrlich nicht den Anspruch auf historische Wahrheit erheben, so schön und patriotisch er auch herüber kommt. Sagen und Geschichten gefallen eben besser als Quellen, stellte der Reiseleiter abschliessend fest. Den verschiedenen Betrachtungsweisen wurde dann im Verlauf des Tages nachgegangen. Es ging auf dieser Exkursion darum, den Mythos zu erleben sowie um die Frage, ob diese „Schwyzer Geschichte“ ein Stück Schweizer Geschichte sei … oder eben doch nicht?

Die „Schwyzer Geschichte“ hat ihren Ausgangspunkt in Einsiedeln, genauer im Kloster, einer Benediktinerabtei am Jakobsweg. Wir wurden von Abt Martin Werlen empfangen, der uns höchst persönlich über die Geschichte, die Infrastruktur und die leidigen, notwendigen Renovationen bzw. die Kosten des Klosters informierte und uns dann durch die grossartige Stiftsbibliothek führte, wo er uns Trouvaillen, wie die Originale der Gründungsurkunde und der Zwingli-Bibel sowie anderes mehr vorstellte. Mit seiner imposanten Kirche und der Schwarzen Madonna ist das Kloster Einsiedeln nicht nur ein touristischer Anziehungspunkt; nein, hier begann damals die Auseinandersetzung mit den Schwyzer Bauern. Worum ging es? Das Kloster hatte seine Ländereien durch Urkunden vom Kaiser zugesprochen erhalten, nach römischem Recht, allerdingsohne klar definierte Grenzziehungen. Die Schwyzer Bauern hingegen beriefen sich auf das germanische Recht, das ungenutzten Boden durch Bewirtschaftung über Generationen zum Eigentum erklärt. Diese Nutzungszwistigkeiten führten zum sogenannten Marchenstreit mit dem Kloster, zu einer mittelalterlichen Fehde. Diese eskalierte am 6. Januar 1314, als die Schwyzer das Kloster Einsiedeln überfielen und nicht nur Sachschaden anrichteten.

Der Streit, der sich in Klageschriften und Schiedssprüchen nachweisen lässt, veranlasste den damaligen Schirmherrn des Klosters – das Haus Habsburg – in den schwyzerischen Landen nach dem Rechten zu sehen. Aus dem Rechtsstreit wurde ein „Wirtschaftskrieg“. Dazu kam der Streit um die Reichskrone. Da die Schwyzer mehrheitlich Ludwig den Bayern unterstützten – den Konkurrenten des Habsburgers Friedrich, genannt „der Schöne“ – und weitere Streitigkeiten des lokalen mittleren Adels hineinspielten, erhielt der Konflikt eine europäisch-dynastische Dimension. So kam es 1315 zur Schlacht am Morgarten; ihr sind wir am späteren Nachmittag im Gelände nachgegangen.

Vorerst wurde zu Beginn des Nachmittags das erst 1936 eröffnete sowie 1979/80 restaurierte und 1999 neu konzipierte Bundesbriefarchiv in Schwyz – heute Bundesbriefmuseum – besucht. Nachdem wir im Park der Statue „Wehrbereitschaft“ der Landi 1939 Ehre erwiesen hatten, empfingen uns im Innern Gemälde, wovon nebst dem „Bundesschwur“ der „Bruder Klaus“ von Marcel Barraud unsere Aufmerksamkeit auf sich zog. Niklaus von Flüe …“Machet den zun nit zu wit!“… eine damalige Symbolfigur für die innere Stärke und Einheit sowie auch ein Warner vor einer expansiven Aussenpolitik der Eidgenossen.

Das Bundesbriefmuseum beherbergt nebst dem Bundesbrief der Urkantone – der Talschaf-ten Uri, Schwyz und Unterwalden – weitere mittelalterliche Urkunden. Darunter finden wir alle früheidgenössischen Bundesbriefe bis 1513. Die verschiedenen ausgestellten Banner und Fahnen sowie die Urkunden bestärkten uns in der Meinung, dass ein Besuch des Bundesbriefmuseums für einen Eidgenossen ein absolutes Muss darstellt!

Historische Quellen legen das Datum der Schlacht am Morgarten auf den 15. November 1315 fest; hingegen lassen sie das Wo und das Wie weitgehend offen. Wo ist der Abhang, von dem herunter rollend die Baumstämme und Felsbrocken das habsburgerische Heer zwangen, in den Sumpf auszuweichen und es im See ertrinken liess? Wo fand die eigentliche Schlacht statt? Es gibt zwei Gedenkstätten: eine auf Schwyzer Boden, beim Übergang der Seelandschaft Ägeri zum Sattel, die Kapelle in der Schornen; die andere ist ein Denkmal auf Zuger Boden unmittelbar bei der heutigen Schiffsstation „Morgarten“. Dem 1908 erstellten Denkmal ging ein Gelehrtenstreit voraus, der noch heute nicht definitiv beigelegt ist. Sichtbares Zeichen dieser Kontroverse ist das 300 m-Morgartenschiessen beim Denkmal und das 50 m-Pistolenschiessen auf Schwyzerboden.

Die Erläuterungen des Reiseleiters gestatteten es den Teilnehmerinnen und Teilnehmern, sich ihre eigene Meinung zu bilden. Die von ihm vorgetragene Lösung, dass hinter der Letzi in der Schornen die Vorhut der Habsburger in einen Hinterhalt geriet und später beim Denkmal ein Stoss in die Flanke des am Hindernis aufgelaufenen Heeres geführt wurde, überzeugte uns mehrheitlich. Viele nahmen die Frage mit: War die Schlacht nun wirklich ein Freiheitskampf, wie es auf dem Denkmal heisst, oder wurde sie erst später als ein solcher wahrgenommen? Die vom Reiseleiter mit profundem Wissen, Elan und Überzeugung durchgeführte Exkursion widersprach allfälligen Vorurteilen, dass das Thema veraltet sei. Die zahlreich erschienenen Teilnehmerinnen und Teilnehmer – der Bus war bis auf den letzten Platz besetzt – unterstrichen dies zusätzlich durch ihre Anwesenheit. Die Exkursion war eine echte Bereicherung und dies erst noch an einem schönen Tag im April 2011.

Text: Fred Nyffeler (Bolligen)