Thema: Der Weg zur Machtergreifung der Bolschewiki in Russland und Lenins Rolle in der Schweiz

Samstag, 4. November 2017, 0945 – 1200, Universität Zürich Zentrum, Hauptgebäude Rämistrasse 71, Raum KOH B-10

mit Referaten von PD Dr. Hans Rudolf Fuhrer, Prof. Dr. Carsten Goehrke und Dr. Dieter Kläy

Die von über 130 Zuhörerinnen und Zuhörern besuchte Herbsttagung der Gesellschaft für militärhistorische Studienreisen GMS widmete sich der Russischen Revolution von 1917 und den Problemstellungen in der Schweiz am Beispiel des „Roten Sonntags“ vom 3. September 1916.

In seinem Abriss über die russische Geschichte zwischen 1850 und 1920 ging der emeritierte Osteuropahistoriker Carsten Goehrke der Frage nach, warum die Bolschewiki unter Lenin aus einer absoluten Minderheitsposition heraus Russland in einen Sowjetstaat umwandeln konnten. Die mangelnde soziale und politische Reformbereitschaft des Zarenregimes seit der Regentschaft Niklaus I. Mitte des 19. Jahrhunderts führte zu grossen Spannungen im Arbeiterproletariat und in der Bauernschaft. Die Hungersnot und das Chaos in Russland während des Ersten Weltkrieges liessen nach gescheiterten Aufständen (z.B. Revolution von 1905) eine neue Revolution in Russland heranreifen. Im Februar 1917 dankte Zar Niklaus II. ab. Die demokratischen Kräfte, die ab Frühjahr 1917 das Ruder übernahmen, versagten und wurden im Oktober 1917 von den Bolschewisten weggeputscht. Die Bewährungsprobe für Lenin und seine Entourage war der Bürgerkrieg von 1918 – 1920, der trotz ausländischer Hilfe für die antibolschewistische „weisse Armee“ (Weissgardisten) mit einer Niederlage und für die Bolschewiki mit einem Sieg endete.

Hatte Lenin für Russland und die Sowjetunion zweifellos eine epochale Bedeutung, wird sein Einfluss in der Schweiz nach Ansicht von Dieter Kläy eher überbewertet. Zwar verfasste er in seinem Exil zwischen 1914 und 1917 in Bern und Zürich verschiedene Schriften und engagierte sich an den internationalen Friedenskonferenzen von Zimmerwald und Kiental, doch blieb sein politischer Einfluss auf die Sozialdemokratie in der Schweiz bescheiden. In der Schweizer Öffentlichkeit wurde er nicht wahrgenommen.

Hans Rudolf Fuhrer legte in seinen Ausführungen den Fokus auf die Schweiz, die während des Ersten Weltkrieges zunehmend von sozialen Spannungen durchgeschüttelt wurde. Am Beispiel des „Roten Sonntags“ vom 3. September 1916, an dem es landesweit zu Protesten der Sozialisten kam, zeigte er exemplarisch die Ausprägungen und Folgen einer auseinanderdriftenden Gesellschaft auf. Dabei lässt sich die Eskalation des Konflikts unter angemessener Berücksichtigung des internationalen Umfelds auf drei zentrale Entwicklungen zurückzuführen: Ideologisierung, Radikalisierung und Polarisierung. Ging der Rote Sonntag noch glimpflich über die Bühne, entluden sich die Spannungen 1918 im Landesstreik.

4. November 2017

Dieter Kläy, Vorstandsmitglied