Thema: P-26

Samstag, 02. November 2019, 0945 – 1200, Universität Zürich Zentrum, Hauptgebäude Rämistrasse 71, Raum KOH-B-10

Neue Erkenntnisse zu P-26 & Buchempfehlung:

Neue Erkenntnisse zu P-26

Das Projekt 26 (P-26) war eine Kaderorganisation zur Aufrechterhaltung des Widerstandswillens in der Schweiz im Falle eine Besetzung. Sie entstand 1979/81 aus dem Spezialdienst in der damaligen UNA (Untergruppe Nachrichtendienst und Abwehr) und wurde 1990 nach der Bekanntmachung durch eine parlamentarische Untersuchungskommission (PUK) durch den Bundesrat aufgelöst. 120 Teilnehmende folgten den neuen Erkenntnissen der Referenten Titus Meier und Hans Rudolf Fuhrer.

Titus Meier, Verfasser der 2018 erschienen Dissertation «Widerstandsvorbereitungen für den Besetzungsfall. Die Schweiz im Kalten Krieg», zeigte in seinem Referat auf, wie das Auffliegen der P-26 medial stufenweise skandalisiert worden ist und im März 1990 in der parlamentarischen Untersuchungskommission PUK EMD endete. Bereits der sicherheitspolitische Bericht von 1973 nennt Widerstandsformen im feindbesetzten Gebiet. Vieles, das im Zug der P-26 skandalisiert worden ist, war der damaligen Geschäftsprüfungskommission des Nationalrates bereits aus der Affäre Bachmann / Schilling von 1979/81 bekannt. Doch das politische Umfeld hat sich geändert. 1989 beherrschten der Rücktritt von Bundesrätin Elisabeth Kopp und die Fichenaffäre die Diskussion. Am 9. November 1989 fiel die Berliner Mauer und am 26. November 1989 stimmte das Volk über die GSOA-Volksinitiative «Schweiz ohne Armee» ab. In diesem veränderten Umfeld war die mediale Skandalisierung kein Zufall. Bruchstückweise kamen immer neue, das Gerücht einer Geheimarmee nährende Informationen an die Öffentlichkeit. Es wurde spekuliert, ob die Vorbereitungen der P-26 Bestandteil einer internationalen Organisation seien und die NATO dahintersteckt. Schrittweise enttarnten Medien Kader der P-26. Moniert wurde eine fehlende gesetzliche Grundlage, unterstellt ein Umsturzszenario. Am Schluss stand der Vorwurf der «illegale Geheimarmee» im Raum. Die Untersuchung des Parlaments wurde unter dem Druck der Medien und der Öffentlichkeit zur Anklage.

Den Weg zur P-26 erläuterte Hans Rudolf Fuhrer. Nach der Kapitulation Frankreichs im Juni 1940 herrschte in der Schweiz Verunsicherung. Um General Guisan zu unterstützen, wurde der parteipolitisch neutrale Gotthardbund gegründet. Nicht in der Öffentlichkeit agierte die sozialdemokratisch geprägte «Aktion nationaler Widerstand». Auch nach dem Zweiten Weltkrieg und im Übergang zum Kalten Krieg setzten sich starke Kräfte für die Unabhängigkeit der Schweiz ein. Die «braune Gefahr» ist zur «roten» geworden. Die Erkenntnis aus den Auswertungen der Résistance und des Widerstandes in Jugoslawien war, dass Widerstandsbewegungen für den Aufbau Jahre benötigen und auf Hilfe von aussen angewiesen sind. Am 3. Dezember 1956 reichte der Zürcher LdU Nationalrat Erwin Jaeckle ein Postulat ein mit der Aufforderung an den Bundesrat, im Hinblick auf den ungarischen Aufstand zu prüfen, «welche Vorkehren in Organisation und Ausbildung getroffen werden können, um den totalen Volkswiderstand gegebenenfalls über die Feldarmee hinaus aufzunehmen und zu sichern.» Das Ergebnis war ein Studienauftrag, doch das Projekt wurde nicht weiter verfolgt. In den 60-er Jahren publizierten Major Hans von Dach den «Kleinkrieg für jedermann». 1969 legte die Expertenkommission von Professor Karl Schmid ihren Bericht vor, was dazu führte, dass die Idee des Widerstandes im besetzten Gebiete in den Sicherheitspolitischen Bericht von 1973 aufgenommen worden ist.

Dieter Kläy, Vorstandsmitglied

 

Buchempfehlung

Während des Kalten Kriegs traf die Schweiz Widerstandsvorbereitungen für den Fall einer Besetzung durch den kommunistischen Ostblock. Diese Vorbereitungen waren streng geheim und nur einem kleinen Personenkreis bekannt. Gewöhnliche Männer und Frauen aus der Zivilbevölkerung –

Hausfrauen, Akademiker, Handwerker – waren bereit, im Besetzungsfall Widerstand zu leisten. Sie verstanden sich nicht als militärisches, sondern als politisches Rückgrat der Landesregierung. Davon war jedoch nicht die Rede, als diese Vorbereitungen 1990 publik wurden. Vielmehr dominierte das Bild einer 400 Mann starken bewaffneten Geheimtruppe, die eine Gefahr für den Staat darstellte. Fortan stand „Projekt 26“ (P-26) für einen der grössten innenpolitischen Skandale der neueren Zeit. Ein neues Buch gibt nun erstmals einen Einblick in diese streng geheimen Vorbereitungen und fordert zu einer Neubeurteilung auf.

Dem Historiker Titus Meier, Referent und Reiseleiter verschiedener GMS-Reisen, ist es gelungen, auf der Basis von erstmals zugänglichen Akten aus dem Bundesarchiv sowie von mündlichen Quellen, die Puzzleteilchen dieser Vorbereitungen zu einem Ganzen zusammenzufügen. Seine Dissertation „Widerstandsvorbereitungen für den Besetzungsfall. Die Schweiz im Kalten Krieg“ ist nun in einer allgemein verständlichen Ausgabe im Buchhandel erhältlich und sehr lesenswert.

Titus J. Meier
Widerstandsvorbereitungen für den Besetzungsfall
Die Schweiz im Kalten Krieg
Verlag NZZ Libro, 592 S., 16 Abb., 15 x 22 cm, gebunden

Fr. 54.– (UVP) / € 54.–

ISBN 978-3-03810-332-5