44. GMS-Generalversammlung 2024

acc/ Die 44. Generalversammlung der Gesellschaft fand am 23. März 2024 in der Munot-Stadt Schaffhausen statt. Gut 100 Mitglieder und zwei Referenten der Extraklasse folgten der Einladung in die Stadt am Rheinfall, an dessen Schwabentor seit 1935 die weithin bekannte Aufforderung „Lappi tue d‘ Augen uf“ einstmals auf die Gefahr des Autoverkehrs in der Stadt hinwies, heute aber durchaus auf die Aktualität hinsichtlich der Notwendigkeit einer nüchternen Beurteilung der mehr als nur volatilen Sicherheitslage in Europa und der Welt „umgemünzt“ werden darf.

Speditiv durch die Traktanden

Nach den sympathischen Grussworten des Präsidenten des Grossen Stadtrats, Herr Stephan Schlatter – in welcher selbstverständlich sämtliche Vorzüge der Stadt und des Kantons Schaffhausen die erwartete Erwähnung fanden – führte der Präsident der GMS zügig gemässTraktandenliste durch den statutarischen Teil der Generalversammlung.

Diese entsprach einstimmig allen Anträgen des Vorstands.

Georges Bindschedler wurde als Präsident der Gesellschaft für eine nächste Amtszeit bestätigt, ebenso wurde dem Vorstand in globo für seine weitere Arbeit Absolution erteilt. Diesem Vorstand gehört seit der GV 2024 neu auch Frau Barbara Burgdorfer an. Durch ihre Wahl konnte die seit 2020 bestehende Vakanz der Protokollführung nun auch offiziell besetzt werden.

Der GMS-Vorstand 2024-2026

Dominique Juilland – neues Ehrenmitglied der GMS

Mit grossem Applaus wurde Divisionär a D Dominique Juilland durch die Versammlung in den erlauchten Kreis der GMS-Ehrenmitglieder gewählt. Für seine langjährige und fortwährende Arbeit als polyvalenter Reiseleiter und insbesondere für sein unermüdliches, uneigennütziges Engagement zur Wahrung des militärgeschichtlichen Bewusstseins – auch weit über das Wirkungsfeld der GMS hinaus – sprachen ihm die Vereinsmitglieder ihren gemeinschaftlichen Dank aus.

Reiseangebote 2024 – Reisevorhaben 2025

Der Reisechef orientierte die Versammlung über den Stand der Anmeldungen für die Reisen des laufenden Jahres und insbesondere auch über das schon weit gediehene Programm 2025. Auch dieses verspricht wieder viele spannende Reisetage mit der GMS. Die Veröffentlichung des Vorprogramms ist auf Mitte des Sommers vorgesehen.

„Lappi tue d’Augen uf“

Es ist nicht so, dass die beiden Referenten diesen Schaffhauser Aufruf ihren Vorträgen voranstellten, aber ganz abwegig wäre es nicht gewesen:

„Technologiewandel und die Auswirkung auf die Sicherheit“

Der stellvertretende Rüstungsschef, Dr. Thomas Rothacher, analysierte in seinem Referat  den aktuellen Stand und insbesondere den Handlungsbedarf hinsichtlich der Weiterentwicklung militärischer Technologien. Armasuisse, Hochschulen und die einheimische Industrie sind diesbezüglich auf gutem Kurs. Ausführungen zu künstlicher Intelligenz, Massnahmen im Cyber-Raum sowie zur Entwicklung der Robotik und Drohnentechnologie bildeten das Schwergewicht seiner spannenden und – auch für den der modernsten Technologie nicht affinen Schreibenden – in verständlicher Form präsentierten Ausführungen.

Technologische Megatrends; Quelle: armasuisse

Fazit: Währenddem früher die Entwicklung der Raumfahrts- und Rüstungstechnologie für die später private Nutzung wertvolle Voraussetzungen waren, müssen sich heutige Rüstungsbestrebungen einer Technologie zuwenden, die auf dem privaten Markt längst genutzt wird. Das heutige Internet basiert in Ursprüngen auf militärischem Bestreben, möglichst schnell und vernetzt kommunizieren zu können. Die heute alltäglichen und ohne Betriebsanleitung nutzbaren Smartphones entsprechen einer anderen Nutzergruppe. Um die aktuelle und sich sehr schnell weiterentwickelnde Technologie für die Rüstungsbeschaffung nutzen zu können, bedarf es rascher Entscheide. Die Zeit ist somit der entscheidende Faktor, um sich einen Vorteil zu verschaffen. Die Industrie wäre zu entsprechenden Entwicklungen bereit, der politische Wille hinkt – nicht zuletzt durch das föderalistische System unserer Demokratie – hinterher.

Das nationale Netzwerk der armasuiss zur Entwicklung neuster Technologien; Quelle: armasuisse

Der Technologiewandel ist eine Tatsache, prägt uns bereits heute massgeblich und wird unsere Kultur und unser Sicherheitsumfeld fortlaufend verändern: „Velocity is king!“ Nach Ansicht des Referenten geht die Entwicklung in der Schweiz viel zu langsam voran. Es ist Zeit, etwas zu unternehmen, damit wir schneller und reaktiver werden. In diesem Sinne hält er es wie Frau Bundesrätin Viola Amherd: «Vorwärtsgehen, etwas bewegen – die Zukunft gestalten!»

„Die Zeiten der sicherheitspolitischen Märchenstunden sind vorbei“

Mit einer klaren und nüchternen Analyse begeisterte Georg Häsler, sicherheitspolitischer Redaktor der Neuen Zürcher Zeitung, die Zuhörenden in rhetorisch ebenso gewandter Manier wie sein Vorredner.

Seine Herleitung aktueller Konfliktfelder basierte auf den ursprünglichen Einflussfaktoren der „Supermächte“ zur Zeit der Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert wie Preussen, die k.u.k. Monarchie, Russland und das Osmanische Reich.

Schnittmenge aktueller Konfliktfelder; Quelle: Georg Häsler

Wo sich deren Einflussbereiche heute überlagern, finden wir die aktuellen „Pulverfässer mit unterschiedlich langen Zündschnüren“: im Baltikum, auf dem Balkan und in Moldawien – um vor der eigenen Haustür zu bleiben. Gleiches lässt sich im Grenzgebiet der früheren Sowjetunion östlich des Kaspischen Meeres, in allen -stan-Staaten, erkennen.

Wenig Zuversichtliches formulierte Herr Häsler in seiner darauffolgenden Beurteilung der aktuellen Lage und vielmehr noch bezüglich der mittel- und längerfristigen Lageentwicklungsmöglichkeiten. Zu den bereits heute das Sicherheitsempfinden verunsichernden Faktoren wie Migration, drohender Mangel an Energie, Terrorismus und organisierte Kriminalität gesellen sich Begriffe wie zusätzliche Kriege, Stellvertreterkrieg (Proxy Wars), neue Offensiven der Russischen Föderation und eine damit unweigerlich verbundene Destabilisierung der Europäischen Union. Fakt ist, dass der US-amerikanische Fokus auf dem Pazifik liegt und die politischen Führer europäischer Nato-Partnerstaaten sich zusehends uneinig sind, wie die Unterstützung der Ukraine weitergeführt werden soll. So will der französische Präsident Emmanuel Macron Truppen schicken und der deutsche Bundeskanzler Olaf Scholz gleichzeitig Taurus-Lieferungen verhindern.

Sollte Wladimir Putins Krieg in der Ukraine für ihn erfolgreich ausgehen, wird er sich – innenpolitisch wohl bestärkt – einem nächsten Brennpunkt zuwenden. Wenn also die erstmals in der Krim als „grüne Männchen“ bezeichneten Kämpfer ohne nationales Hoheitszeichen demnächst in Moldawien oder im Baltikum ihr Unwesen treiben, sollte uns dies nicht wirklich überraschen. Wie Europa darauf reagieren wird, steht in den Sternen – aber sicher nicht in gleicher Geschlossenheit wie zu Beginn des Ukrainekrieges.

Lageentwicklungsmöglichkeit nach einem russischen Erfolg in der Ukraine

In einem abschliessenden Teil analysierte der Referent die Folgen des „gebremsten Wachstums“ bei der Wiedererlangung der Verteidigungsfähigkeit und brach eine Lanze für das aufrüttelnde Vorgehen des Chefs der Armee. Zwar ist er der Landesregierung gegenüber zur Loyalität verpflichtet, in erster Linie aber ist er als höchster Soldat unseres Landes dem Volk und der Verfassung gegenüber verantwortlich. Wenn ein Soldat seinen Auftrag unter neuen Rahmenbedingungen nicht erfüllen kann, ist er im Rahmen der Eigeninitiative dazu verpflichtet, rechtzeitig auf diesen Umstand hinzuweisen. Das gilt für Mannschaft und Höhere Stabsoffiziere in gleicher Weise. Indem Korpskommandant Süssli diesen Schritt nun öffentlichkeitswirksam gemacht hat, bringt er das Problem auf den Punkt. Auch wenn sich politische Exponenten daran stören mögen und man es nennen mag, wie man will (Finanzierungsengpass, Finanzierungslücke oder weitere beschönigende Worte):  Die Mittel reichen schlicht nicht aus, das gesetzte Ziel zu erreichen – und erst recht nicht in der seitens des Parlaments erwarteten Zeit.

Der Wiederaufbau der Armee im zeitlichen Kontext strategischer Entwicklungen.

Die Märchenstunde ist vorbei, auch für friedensbewegte Schweizer Politikerinnen und Politiker, die der Realität möglicherweise aus Bequemlichkeitsgründen oder, viel schlimmer noch, aus Unwissenheit nicht in die Augen schauen wollen oder können.

 

Stefan Gublers Fotossammlung