45. GMS-Generalversammlung 2025

Samstag, 22. März 2025 in Spiez

Die 45. Generalversammlung der GMS fand bei bester Stimmung und angenehmem Frühlingswetter im Spiezer Hotel Eden statt. Rund 100 Teilnehmende folgten den Ausführungen des Präsidenten der Gesellschaft und den Hinweisen der Gemeindepräsidentin zu einem möglichen Spaziergang durch die fünf Fraktionen der Gemeinde, in welcher heute rund 14’500 Einwohner eine wohnliche Unterkunft und 5’800 Arbeitnehmende ihr Einkommen finden. Eine Gemeinde, die über 13 km Seeanstoss und 13 Hektaren an Flächen zum Weinanbau verfügt, muss sich wirklich nicht beklagen. Dort zu leben, wo andere gerne ihre Ferien verbringen, zeugt von Lebensqualität und das sich mit Blick aus dem Plenarsaal präsentierende Panorama unterstrich diese Aussage.

Der geschäftliche Teil mit der notwendigen Zustimmung der Versammlung bedurfte der rekordverdächtigen 19 Minuten. Zwar wurde Frau Irmgard Züger-Näf der Tradition gehorchend erneut zur Stimmenzählerin gewählt, aber nachdem alle Anträge oder Wahlvorschläge des Vorstands mit Stillschweigen oder Akklamation durchgewinkt wurden, hatte auch Sie einen erwartet ruhigen Vormittag. Fazit: die GMS konnte nach einigen coronabedingten Jahren wieder auf den Weg eines positiven Geschäftsabschlusses zurückfinden.

Das seitens des Reisechefs bestrittene Traktandum «Verschiedenes» vermittelte den aktuellen Stand der Anmeldungen zu Reisen des laufenden Jahres und ein Sammelsurium an möglichen Reiseangeboten 2026. Auch informierte er als Kommunikationszuständiger der Gesellschaft über getroffene und bevorstehende Massnahmen in diesem wesentlichen Bereich. Es mangelt an der Visibilität der GMS ausserhalb des Kreises von Gesellschafterinnen und Gesellschaftern. Wir wissen, was wir können und anbieten: Andere erreichen wir nur schwierig. Aber es gibt vielleicht andere, preisgünstigere und gewinnbringendere Varianten, als ein teures Inserat zu schalten, um dann auf dem Altpapier zu landen. Einen Vorschlag dieser Möglichkeit nahmen die Anwesenden mit verständnisvollem Nicken zur Kenntnis, ohne dass dazu ein Beschluss gefasst werden musste.

Referat von Korpskommandant Laurent Michaud

Der Chef des Kommandos Operationen betonte eingangs seines Referats zu den aktuellen Herausforderungen für unsere Armee und insbesondere jener, der sicherheitspolitisch-strategisch zuständigen Instanzen zunächst einmal, dass die, seitens der Medien derzeit kolportierte «Baustelle für den neuen Chef VBS» für ihn in diesem Ausmass nicht nachvollziehbar sei.

Die heutige Armee funktioniert. Alle Einsätze werden zur Zufriedenheit aller darum ersuchenden Stellen bestens erfüllt. Sei es zugunsten der Kantone oder auch im Rahmen der internationalen Verpflichtungen. Unsere Milizorganisation überzeugt – möglicherweise internationale Kreise von Spezialisten mehr, als nationale Kreise, welche grundsätzlich alles mal infrage stellen und das Bedürfnis des eigenen Wohlergehens ins Zentrum stellen. Für viele gewählte Parlamentarierinnen und Parlamentarier entspricht das «Denken an das Unmögliche» gleichzeitig dem Verlass der eigenen Komfortzone. Krieg zu denken fällt schwer – auch wenn er an der Grenze Europas täglich präsent, aber in den Medien beifällig noch als formatfüllende Nebenerscheinung erwähnt wird. Die Halbwertszeiten des Erinnerungsvermögens zur Wiederwahl stehender Politikerinnen und Politiker sind schon beängstigend.

Gleichwohl: Die Armee will wieder verteidigen können und hat die entsprechenden Ausbildungsprogramme darauf angepasst. Gesperrte Autobahnen zur Verlagerung von Tagesstandorten der Luftwaffe? Das ist plötzlich wieder möglich und akzeptiert – wenn auch nicht von allen. Dazu gehören auch Manöverübungen in Brigadestärke im zivilen Umfeld und vielfach auch in Zusammenarbeit mit den zivilen Sicherheitsbehörden.
Die Wiedererlangung einer verteidigungsfähigen – und somit dem verfassungsmässigen Auftrag entsprechenden – Armee bedarf der Zeit, des dazu wieder fähigen Personals in ausreichender Zahl und insbesondere der Investitionen in den längst fälligen Ersatz von Waffensystemen und die Beschaffung zeitgemässer Rüstungsgüter.

In einem zweiten Teil seiner Ausführungen beleuchtete Korpskommandant Michaud das sich in den letzten Monaten nahezu wöchentlich verändernde strategische Umfeld. Seit 2024 sind 114 bewaffnete Konflikte aller Intensitäten im Gange. Dies allein sei schon Grund genug, die Augen offenzuhalten und mögliche Entwicklungen zu antizipieren. Hinzu kommen die sich häufenden und in der Intensität zunehmenden Auswirkungen der globalen Klimaerwärmung. Entsprechende Katastrophen forderten 2024 weltweit 11’000 Todesopfer und verursachten wirtschaftliche Kosten in der Höhe von schätzungsweise 150 Milliarden Franken.

Die aktuelle Weltlage ist von einer Unsicherheit geprägt, welche wir seit Jahrzehnten nicht mehr erlebt haben.

In Europa ist diese Unsicherheit vor allem auf Russland zurückzuführen. Im Allgemeinen haben Spionage, Sabotage, der Einsatz bewaffneter Gruppen oder aggressive Migration in den letzten zwei Jahren überall deutlich zugenommen. 2024 haben sich diese Aktionen gegenüber 2023 an der Zahl vervierfacht.

Als Beispiel erwähnte Michaud die zunehmenden Sabotage-Aktionen gegen NATO-Staaten. Konkret: Brand- und Sprengstoffanschläge in westlichen Rüstungsindustrien oder Anschläge auf Unterseekabel und Schiffe in der Ost- und Nordsee. Derartige Aktionen binden immer grössere (westliche) Überwachungs- und Schutzmittel und schaffen eine Atmosphäre der ständigen Verdächtigung.

Eine umfassende Wiedergabe seiner Analyse zu «hybriden Aktionsformen Russlands» würde den Umfang dieses Beitrags sprengen. Russlands angestrebter Endzustand (Die Kohäsion des Westens ist so geschwächt, dass die Handlungsfreiheit der zivilen und militärischen Führung nicht mehr gegeben ist und die NATO und die EU nicht mehr funktionieren können.) soll entlang von drei Operationslinien zur Destabilisierung, Beeinflussung und Abschreckung erreicht werden. Daraus sind drei strategische Zielsetzungen abzuleiten:

  1. Schaffung einer instabilen Zone innerhalb des NATO/EU-Dispositives
  2. Strategische Kontrolle der westlichen Absichten
  3. Abschreckung und Aufzwingen des Willens durch militärische Gewalt als ultima ratio

Die nachfolgenden zwei Abbildungen zeigen die zur russischen Zielerreichung notwendigen Zwischenziele, die vom Referenten ausführlich und anhand vieler bisheriger Ereignisse vertieft wurden.


Quelle: Schweizer Armee, Kommando Operationen, März 2025

Selbstverständlich thematisierte der Dreisterngeneral auch den Einfluss des 47. US-Präsidenten auf die strategische Lage. Diese Ausführungen waren militärisch stringent, seiner Funktion entsprechend aber auch sehr «diplomatisch» formuliert. Die Übernahme des «russisches Narratives» zur Begründung des Ukraine-Krieges mag nicht nur vor den Kopf zu stossen, sondern führt zu einer weiteren Verunsicherung im westlichen Umfeld. Russland profitiert davon – es ist Präsident Trumps Beitrag zur Destabilisierung; ganz im Sinne des ersten strategischen Ziels Russlands.

Die Situation auf dem ukrainischen Schlachtfeld beurteilte Korpskommandant Michaud als «kritisch». Seit September 2024 hat Russland nahezu die Gesamtheit der im Kursk verlorenen 770 km² zurückerobert und weitere 2100 km² im Donbass besetzt. Und dies trotz der geschätzten Verluste von ca. 1’500 Mann pro Tag im Durchschnitt.

Russland verfügt nach wie vor über ein grosses Rekrutierungspotenzial und eine für uns schwer zu erfassende Verlusttoleranz. Hinzu kommt eine im Gegenzug zum Westen erfolgreich aufgebaute Kriegswirtschaft, die trotz Sanktionen die Eröffnung oder Wiederinbetriebnahme von Produktionslinien der Rüstungsindustrie rasch und effizient ermöglicht.

Die russische Absicht, die europäische Sicherheitsstruktur zu zerstören, wird heute durch immer stärkere militärische Kapazitäten, ein resilientes politisches System und eine effiziente Kriegswirtschaft unterstützt. Russland hat einen Plan und die Mittel, ihn umzusetzen.

«Die Bedrohung für Europa und die Schweiz ist real und nimmt zu. Das Schlimmste ist nicht nur möglich, sondern heute auch wahrscheinlich.»

Darauf muss sich die Armee ausrichten – und darauf zählen, dass diese Ausrichtung auch von Volk und Parlament ernsthaft mitgetragen und unterstützt wird.


 

Stefan Gublers Bilder von der GV 2025