Die Kämpfe der 8. britischen Armee zwischen Ancona und Ferrara

Inhalt aktualisiert am 25.07.2023
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ZUM REISEBERICHT


Reiseleitung: Br (a D) Daniel Lätsch

7 Reisetage


Thematische Umschreibung

Am 18. Juli 1944 um 14.30 Uhr marschierten Truppen des II. polnischen Korps in Ancona ein. Mit der Einnahme der Stadt und des Hafens waren günstige logistische Voraussetzungen für den weiteren Vorstoss entlang der Adria geschaffen. Unter dem Deckmantel einer doppelten Täuschungsoperation wurden das V. britische und das I. kanadische Korps über den Apennin an die Adria verlegt. Am 25. August 1944 griff die 8. Britische Armee an. Der Vorstoss über den Metauro und der Einbruch in die „Grüne Linie I“ gelang überraschend schnell. Bei Gemmano und auf der Krete von Coriano leistete das LXXVI. deutsche Panzerkorps aber äusserst hartnäckigen Widerstand und verhinderte damit vorerst einen alliierten Durchbruch nach Rimini. Einsetzendes schlechtes Wetter zwang die Alliierten, die Angriffe einzustellen. Erst im Frühjahr 1945 gelang der Durchbruch in die Po Ebene. Mittels einer amphibischen Aktion wurde der Lago Comacchio überwunden. Trotzdem leisteten die Truppen des LXXVI. deutsche Panzerkorps bei Argenta weiterhin äusserst hartnäckigen Widerstand. Erst der Einsatz der 6. britischen Panzerdivision brachte den Durchbruch und die Vernichtung der verbliebenen deutschen Verbände.

Der Fokus der Studienreise von Ancona über Rimini nach Ferrara liegt bei den operativen, taktischen und logistischen Herausforderungen der alliierten Operationen. Integriert ist aber auch der Besuch von bedeutenden kulturhistorischen Bauwerken

Programm


Erster Reisetag

0815 Uhr Abfahrt mit Car ab Zürich, Carparkplatz Sihlquai via Gotthard, durch die Po Ebene (SS9) nach Rimini und entlang der Adria nach Ancona. Unterwegs Einführung in die operative Lage. Geführte Stadtwanderung für Unermüdliche. Gemeinsames Abendessen und Übernachtung**** in Ancona.

Zweiter Reisetag

Fahrt nach Jesi. Einführung in die Verschiebungs- und Täuschungsoperation zur Bereitstellung sowie zum Angriffsplan der 8. Britischen Armee. Weiterfahrt über Fano, Mombaroccio nach Pesaro: Vorstoss des II. polnischen und des I. kanadischen Korps über den Metauro und die Höhen von Mombaroccio an die Foglia. Abendessen und Übernachtung*** in Pesaro.

Dritter Reisetag

Fahrt über Borgo Santa Maria, Tavullia und Gemmano nach Cattolica: Stoss über die Foglia, Einbruch in „Grüne Linie I“, Kämpfe um Tavullia und Schlacht um Gemmano. Abendessen und Übernachtung*** in Cattolica.

Vierter Reisetag

Fahrt über Coriano nach Rimini: Stoss über die Conca, Schlacht um Coriano. Besuch des Coriano Ridge War Cemetery. Stadtwanderung im römischen Ariminum (Pons Tiberius, Haus des Chirurgen, Augustusbogen). Abendessen und Übernachtung*** in Rimini.

Fünfter Reisetag

Fahrt über Cesena nach Ravenna: Kämpfe um die Marecchia. Besichtigung der Basilica di Sant’Apollinare in Classe. Abendessen und Übernachtung*** in Ravenna.

Sechster Reisetag

Stadtwanderung und Besuch der Basilica San Vitale sowie des Mausoleo di Galla Placidia. Fahrt über Argenta nach Ferrara: Amphibische Operation der 2nd Commando Brigade über den Lago Comacchio und Stoss des V. britischen Korps über Argenta nach Ferrara. Besuch des Argenta Gap War Cemetery. Abendessen und Übernachtung*** in Ferrara.

Letzter Reisetag

Fahrt über Bologna – Milano nach Zürich: Vorstoss des II. polnischen Korps nach Bologna. Vernichtung der deutschen Truppen am Po und Kapitulation der Heeresgruppe C. Abends: Ankunft in Zürich

[Reisedokumentation]


Der Reisebericht von Andreas Blank mit Bildern von Franz Kühne


Eine vergessene Operation oder im Schatten von Overlord

Die Reise zum alliierten Vorstoss an der Adria 1944/45 führt uns unter der fachkundigen Leitung von Br (a D) Daniel Lätsch per Bahn nach Ancona an der Adria. Es waren nicht die Italienischen Staatsbahnen, sondern unsere SBB, welche mit einem ungeplanten Halt im NEAT-Tunnel zu einer am Schluss rund stündigen Verspätung geführt hat. Damit verbunden musste der Besuch von Ancona etwas verkürzt werden. Aber bereits die Dachterrasse von unserem Hotel bot die beste Sicht auf den Fährhafen, welcher vor bald 80 Jahren die logistische Basis der Operation der 8. britischen Armee bildete. Genügend Zeit für eine Einführung in die nächsten Tage und den historischen Ansatz unserer Reise fand sich. So erfolgte die Auswahl der Schauplätze und historischen Erzählungen mehrheitlich aus alliierter Sicht und dabei auf offizieller oberer taktischer Stufe. Dies bedingt durch die Quellenlage, da wenige Quellen auf taktischer Stufe sowie auf Seiten der Deutschen vorhanden sind. In diesen Ausführungen zeigte sich ein erstes Mal, wie intensiv und unter Beizug verschiedenster Quellen sich unser Reiseleiter als Historiker mit dem Vorstoss beschäftigt und sich mit Blickwinkel aus zahlreichen Quellen perfekt auf die Reise vorbereitet hat.

Gruppenfoto im Teatro Pergolesi von Jesi

Der Startpunkt am nächsten Tag (Sonntag, 1. Mai 2022) fand im Teatro Pergolesi von Jesi statt. Den Ausführungen zum historischen Saal folgte eine Einführung in die Operation an derselben Stelle, aber einiges kürzer, an der General Leese 1944 während 80 Minuten seine erweiterte Befehlsausgabe für den Angriff auf die Goten- bzw. später grüne Line gehalten hatte. Einen Einblick erhielten wir auch in das Leben von General Leese, als Beispiel für eine britische Generalskarriere seiner Zeit.Zurück im Gelände konnten wir die hügelige Landschaft mit pittoresken Städtchen auf den Anhöhen geniessen. Das Gelände zeigte uns aber auch auf, was dies für die nebeneinander angreifenden drei Korps bedeutete. Dies selbst wenn die deutsche Gegenwehr verhältnismässig klein war. Zu den kleineren Geschichten der Reise gehört der Besuch der Stelle bei Montemaggiore al Metauro an welcher Winston Churchill zuvorderst an der Front die Kämpfe mitverfolgte.

Am Montag (2. Mai 2022) ging es auf in einen „Grosskampftag“. An der Gotenstellung trafen die Alliierten auf starke deutsche Befestigungen. Die hohen Verluste insbesondere der Kanadier zeigte uns der Besuch des Kanadischen Soldatenfriedhofs von Montecchio eindrücklich auf. Mit dem kombinierten Einsatz von Panzern und Infanterie gelang der Durchbruch trotz grossen Verlusten relativ schnell, dies sicherlich auch, da Generalfeldmarschall Kesselring bis zuletzt davon ausging, dass es sich nicht um den Hauptangriff handelte und somit seine Reserve zu spät auslöste.

Auf der Anhöhe von Gemmano besuchten wir die 2. Verteidigungslinie, welche an dieser Stelle vom 100. Gebirgsjägerregiment verteidigt wurde. Ein lokaler Hobbyhistoriker führte uns vor Ort auf Italienisch in die Geschichte und zahlreiche Episoden ein und brachte dabei das Programm etwas aus der Planung. Die zahlreichen alten Fotos an den Hauswänden zeigen die Zerstörungen im Dorf, welches aus drei Richtungen beschossen wurde (durch die Royal Navy im Osten, die Briten vom Süden und am Schluss noch von den Deutschen aus dem Norden). In der Schlacht im Stil des 1. Weltkrieges, waren 11 Angriffe in 4 Wellen und am Schluss der Einsatz einer ganzen indischen Division nötig, um das Städtchen zu nehmen. Dies auch, da die Briten anfänglich von falschen Aufklärungsergebnissen ausgingen und anstelle des Regiments bestehend aus drei Bataillonen maximal mit einem Bataillon rechneten.

Nach einem reichhaltigen Mittagessen folgte der Besuch von Gradara einem wirklich sehenswerten Städtchen mit einer Prise Kultur, aber von der Stadtmauer auch einem optimalen Blick ins Gelände der Operation.

Am Dienstag, 5. Mai 2022 folgte im übertragenen Sinne ein weiterer Grosskampftag an der zweiten grünen Linie sowie beim Kampf nach Rimini. Der Blick von Croce aus ins Gelände zeigte, wie der deutsche Widerstand aus den Höhen von Gemmano (Vortag) und dann Coriano den Vorstoss in geplantem Tempo verunmöglichte. Er zwang zu einer Anpassung der Planung, welche dann zu einer Umgruppierung der Korpsgrenzen führte. Da die Unterstellten zu spät informiert bzw. nicht aufgehalten wurden, kam es in den Bataillonen zu hohen Verlusten. Die Einnahme von Coriano gelang dann in einer Nacht, mit konzentriertem Angriff gegen inzwischen gut ausgebaute Stellungen der Fallschirmjäger. Die ganze Phase wurde dadurch erschwert, dass durch das schlechte Wetter diverse Bäche und Flüsse nur unterstützt durch die Genie überschritten werden konnten und auch die Strassen schwer passierbar wurden. So waren es zusammenfassend die schwersten Kämpfe seit Monte Cassino, was heute noch eindrücklich beim Besuch des Soldatenfriedhofs Coriano Ridge zu erfahren ist. Weiter ging es zur Rimini Linie und den Kämpfen in San Fortunato, wo vor allem die Fahrkünste unserer Fahrerin Marlene Schweizer gefragt waren, die alle Heraus­forderungen mit Bravour meisterte.

Beim Stadttor, welches den Krieg nur knapp und mit Glück „überlebt“ hat, erfuhren wir einige Nebengeschichten des Kriegs wie das Kriegsgefangenenlager der Deutschen am Strand von Rimini. Oder die Geschichte der von den Kriegsgefangenen selbst gebauten Orgel.

Von Rimini ging es am Mittwoch (4. Mai 2022) weiter in Richtung San Marino in den britischen Angriffsstreifen der Rimini Linie. Die 8. britische Armee hatte um die 14‘000 Ausfälle zu verkraften und kam nicht darum herum, Verbände aufzulösen bzw. zusammenzulegen. Es folgten weitere Hindernisse wie der Marecchia, ein bei hohem Wasser schwieriges Hindernis in die Po- Ebene, oder nach Santarcangelo das Gefecht um die Burg und dahinter der Eisenbahnlinie. Auch beim Savignano, welcher zum „Rubicon“ erkoren wurde, kam es zum Widerstand und zur Sprengung der Römerbrücke, welche jedoch aus den Resten wieder aufgebaut werden konnte.

Mit General McCreery als neuem Kommandanten verlagerte sich das Schwergewicht der Kräfte in die Berge, aber es galt weiter parallel entlang der Adria von Fluss zu Fluss zu kämpfen. Ergänzt wurden die Ausführungen durch einzelne Geschichten wie der Verletzung von Generalfeldmarschall Kesselring oder einem Leutnant, welcher fast im Alleingang zahlreiche Gefangene gemacht hat.

Mosaik in Ravenna

Aber auch das Gelände in der Emilia-Romana ist nicht so gutes Panzergelände wie sich dies die Alliierten gewünscht haben: Gebüsche, Bäume und dann wieder ein nächster Fluss mit Damm sei es in Montone oder am Senio, wo es zur Winterpause kam. Diese wurde von beiden Seiten dringend zum Retablieren benötigt. Dabei war jedoch das Zuführen von neuen eigenen Mitteln auf beiden Seiten erschwert. Die Verpflegung stellte dann auch unseren Reise­leiter vor eine kleine Entschlussfassungsübung, wollte doch das Restaurant nichts mehr von der Reservation wissen, konnte aber mit einem neuen Restaurant mit einem hervorragenden Preisleistungsverhältnis und innerhalb vom Zeitplan ersetzt werden. Am Nachmittag besuchten wir die Basilika S. Apollinare in Classe, welche vom Krieg verschont wurde und heute UNESCO Kulturerbe ist. Weitere wunderbare Mosaike folgten in den beiden Basiliken in Ravenna.

Mosaik in Ravenna

Am Donnerstag (5. Mai 2022) folgte thematisch die Auslösung der Aktion nach der Winterpause. Diese Ausführungen wurden mit dem Besuch im Museum Schlacht am Senio in Alfonsine ergänzt. Neben einer guten Zusammenfassung der Operation wurden im Museum die letzten Tage um zahlreiche Bilder ergänzt, sieht man doch im Gelände nicht mehr viel bzw. keine Überreste mehr.

In Erinnerung geblieben ist am Nachmittag die Landeoperation am Comacchio als Beispiel einer „Asset driven operation“ sowie die Kämpfe bis zum Engnis in Argenta und der Brücke über den Reno. Das regnerische Wetter beim Besuch des Argenta Gap War Cemetery, regte zum Nachdenken an, insbesondere, wenn man sich die Todesdaten so kurz vor Kriegsende vor Augen führt.

Am Freitag ging es bei Regenwetter, welches didaktisch eher für die Vortage gepasst hätte, mit einem Blick in die Po Ebene dem Ende des Krieges und der Reise entgegen. Das Kriegmuseum in Felonica am Po zeigte noch weitere konkrete Bilder zu den Soldaten aber auch der lokalen Bevölkerung in der damaligen Zeit.

Szene der Verwüstung im Museum in Felonica am Po

So endete unsere Reise thematisch mit der Kapitulation der Deutschen am 2. Mai 1945 und physisch mit der Ankunft in Zürich.

Daniel Lätsch hat uns fundiert, abwechslungsreich und auch gut kulinarisch begleitet in die Ereignisse von 1944 und 1945 mitgenommen. [Foto 4]

Reiseleiter Daniel Lätsch mit nachgeführter Karte der Operation

Eine Operation, welche im Schatten unter anderem von Overlord wohl den wenigsten von uns vor der Reise wirklich bekannt war. Eine Reise aber auch, die uns militärische Grundsätze aufzeigt: so der Einfluss des Geländes, welches viel weniger für Panzer geeignet war, als dies die Briten in ihrer Planung angenommen hatten. Oder die Flüsse und Bäche, welche vor allem bei schlechtem Wetter zu grossen Hindernissen wurden. Dann aber nicht zuletzt auch die Logistik, welche über lange Distanzen und eben auch beeinträchtigt durch das Wetter zu erfolgen hatte und unglaubliche Mengen an Geniemitteln nötigt machte. Ein Feldzug aber auch, der grosse Verluste zur Folge hatte und damit verbunden die Frage, ob diese bei einem Verzicht des Italienfeldzugs hätten verhindert werden können oder ob sich einfach der Krieg an anderer Stelle verlängert hätte.