Frühjahrstagung 2022

26. Februar 2022

ZUM TAGUNGSBERICHT

Tagungsleiter und Referenten

  • Dr. Dieter Kläy, Tagungsleiter und Vorstandsmitglied der GMS
  • PD Dr. Hans Rudolf Fuhrer, Militärhistoriker, Herausgeber der GMS-Jahresschriften
  • Dr. Thomas Greminger, Direktor des Geneva Center for Security Policy (GCSP)
  • lic. phil. I Ralph Bossard, ehem. Senior Planning Officer in der Special Monitoring Mission to Ukraine, heute stv. Chef Grundlagen VBS/HKA

Tagungsthema

Pulverfass Ukraine

Die Situation in der Ukraine ist heute angespannter denn je. Nachdem 2014 die Krim in die Russische Föderation integriert wurde und sich die Regionen Lugansk und Donzek als eigenständige Gebiete proklamiert haben, sind im Herbst 2014 bewaffnete Konflikt ausgebrochen. Bis heute haben diese Konflikte 12’000 Menschenleben gefordert. Die Verhandlungen von Minsk (Minsk I, 2014 und Minsk II, 2015) haben den Konflikt bis heute nicht zu befrieden vermocht. Im Gegenteil, seit den Truppenkonzentrationen Russlands in der Region von Rostow am Don ist die Situation in der Ostukraine wieder in den internationalen Fokus gerückt. Wir freuen uns, mit drei ausgewiesenen Referenten das Thema vertiefen zu dürfen.


Der Bericht des Tagungsleiters

GMS-Frühjahrstagung 2022 im Zeichen der Ukraine-Krise

Derzeit erlebt Europa die grösste sicherheitspolitische Krise seit Ende des Kalten Krieges. Kooperative Sicherheit zwischen Ost und West muss wieder stärker gelebt werden. 150 GMS-Mitglieder und Gäste folgten den Ausführungen von Thomas Greminger, Ralph Bosshard und Hans Rudolf Fuhrer.

Um die Gegenwart besser verstehen zu können, erläuterte Hans Rudolf Fuhrer die wichtigsten Ereignisse in der Geschichte der Ukraine, die erstmals ca. 1117 in der Nestorchronik Erwähnung fand. In den fast 1000 Jahren hatte die Ukraine immer eine strategische Bedeutung, war Kreuzung grosser Handelsrouten und Brücke nach Indien. Zäsuren waren der Mongoleneinfall (1237 – 1240), das Grossfürstentum Litauen und das Königreich Polen (Union von Lublin), zu welchem 1569 fast die ganze Ukraine kam, und der Vertrag von Perejaslaw von 1654, als Kosakenführer Bohdan Chmielnickyj dem russischen Zaren Alexei I. den Treueeid der Saporoger Kosaken leistete. Wie dies heute zu deuten ist, ist umstritten. War es ein Bündnis von zwei gleichberechtigten Staaten und damit ein Staatsvertrag? War es ein Anschluss oder eine Unterwerfung? 1708 schloss der Kosakenführer Ivan Mazepa ein Bündnis mit Karl XII. von Schweden. Beide verloren 1709 in der Schlacht von Poltawa gegen Zar Peter den Grossen.

Nach der Revolution 1917 wollte Lenin einen zentralisierten Staat, der in den Verhandlungen von Brest-Litowsk scheiterte, da die Ukrainer erfolgreich ihren Unabhängigkeitskurs weiterverfolgen konnten. Deutschland unterstützte damals eine unabhängige Ukraine. Am 3. März 1918 musste Lenin die Unabhängigkeit der Ukraine anerkennen. Aber als die Deutschen den Ersten Weltkrieg verloren hatten, war auch das Ende der Unabhängigkeit der Ukraine besiegelt. Die Bolschewiken brachten alles wieder unter ihre Herrschaft.

Anders war die Lage im Zweiten Weltkrieg. Nach dem Einmarsch am 22. Juni 1941 in die Sowjetunion wurde die ganze Ukraine bis November 1941 durch Hitlers Truppen besetzt. Zwar wurden die Deutschen teilweise als «Befreier» aufgenommen, aber letztlich hatten sie kein Interesse an einer unabhängigen Ukraine, was grosse Enttäuschungen hervorrief.

Mit dem Wegfall des Feindbildes Westen implodierte 1991 die UdSSR. Die Ukraine wurde am 24. August 1991 unabhängig. Damals fehlte gemäss Fuhrer die integrative Wirkung eines Befreiungskampfes. Das Verhältnis zu den Nachbarn musste neu geregelt werden, was später zu grossen Wirren und ab 2014 zu kriegerischen Auseinandersetzungen führte.

Kooperative Sicherheit als Lösungsansatz

Nach Thomas Greminger, Direktor des Geneva Center for Security Policy (GCSP), erlebt die europäische Sicherheit derzeit die grösste Krise nach dem Ende des Kalten Krieges. Die Frage nach einer weiteren Eskalation ist schwierig zu beurteilen. Derzeit bewegt sich die Welt in Richtung eines Kalten Krieges 2.0.  Der Grund für die Spannungen liegt auch darin, dass die Staaten des euroatlantischen Raumes die Vorzüge der Kooperation nicht mehr einsetzen und die Sicherheit als zu selbstverständlich angesehen haben. Trotzdem müsse jetzt über kooperative Sicherheit gesprochen werden, die im Ansatz eine Sicherheit miteinander ist und keine kollektive Sicherheit, die sich als Staatenallianz gegen jemanden richtet. Dabei geht es um Konsultation, Transparenz und Rückversicherung, nicht aber um Abschreckung und Geheimhaltung. Die Staaten müssen den Willen haben, die Herausforderung in Kooperation anzugehen. Konstituierende Elemente eines solchen Ansatzes sind der Fokus auf Dialog, auf gemeinsame Interessen, gemeinsame Regeln, Massnahmen, die erlauben, Vertrauen wieder aufzubauen und zivilgesellschaftliches Engagement, weil Frieden nicht nur Diplomaten und Politikern überlassen werden darf. Seit 2014 hat sich die Schweiz in der Ukrainekrise als Brückenbauerin bewährt. Schnell konnte ein Konsens über die Entsendung einer Mission ziviler Beobachter der OSZE erreicht werden. Rund 800 Beobachter aus 40 Ländern ermöglichten so viele lokale Waffenstillstände. Heute ist diese Mission in Frage gestellt.

Um die Situation zu verändern, muss der Krieg beendet werden. Es braucht einen Waffenstillstand und Deeskalation. In der Folge könnte es einen neuen Kalten Krieg mit konsolidierten Feindbildern geben. Aber es wird auch der Moment kommen, wo wieder ein politischer Wille vorhanden ist, etwas zu bewegen, analog zu Beginn der 70-er Jahre im KSZE-Prozess, der 1975 mit der Helsinki-Akte in die Geschichte einging. Zudem sollte der NATO-Russland-Rat wieder aktiviert werden und die OSZE eine intensivere Rolle einnehmen.

China als lachender Dritter?

Ralph Bosshard, ehemaliger Senior Planning Officer in der Special Monitoring Mission to Ukraine, erläuterte den aktuellen Stand des Angriffs der russischen Streitkräfte auf die Ukraine und verwies auf die Notwendigkeit, verschiedene, in den Medien publizierte Angriffspläne mit Vorsicht zu geniessen. Die russische Armee kann mit ihrem gegenwärtigen Bestand nicht auf 1’000 km Frontbreite einen Angriff in 300 km Tiefe führen. Viele auf diversen Kanälen publizierte Operationspläne machen den Anschein, als gäbe es keine ukrainische Armee. Doch diese umfasst heute ca. 25 Brigaden mit einer gewissen Kampferfahrung. Das russisch-belarussische Kräftedispositiv könnte 6 belarussische Kampftruppen-Brigaden und zusätzlich 7 bis 8 Divisionsäquivalente umfassen, was für ein massives Missverhältnis zwischen Raum und Truppen spricht. Was derzeit passiert, werde mit Kräften realisiert, die massiv schwächer sind, als der Raum es erfordern würde. Die Truppen der beiden «Volksrepubliken» Luhansk und Donezk sind nur zur Durchführung lokal begrenzter Aktionen fähig. Bislang haben die russischen Truppen das ehem. AKW Tschernobyl unter ihre Kontrolle gebracht. Im Süden kamen die russischen Truppen besonders weit.

Nach dem Debakel der US-geführten westlichen Koalition in Afghanistan im August 2021 waren die USA gezwungen, auf Augenhöhe mit Russland zu sprechen. Der Kreml hat in der Ukraine einen Hebel gefunden, mit welchem er den Westen nach Belieben unter Druck setzen kann. Profiteur und lachender Dritter ist China, das vermutlich mit Vergnügen zuschaut, wie die USA politisch und militärisch immer tiefer in einen Konflikt in Osteuropa hineingezogen werden.

Dieter Kläy, Vorstandsmitglied GMS

</p> <h3>Die Präsentation von PD Dr. Hansruedi Fuhrer (PDF Vollbildmodus)</h3> <p>

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