Print Friendly, PDF & Email

Der Weg des Panzers Leopard 2 in die Schweizer Armee

Samstag, 24. Februar 2024

 

Referenten

Dr. Dieter Kläy, Tagungsleiter und GMS-Vorstandsmitglied

Peter Muff, Vorstand Schweiz. Vereinigung für Militärgeschichte und Fahrzeug-Experte HAM Burgdorf

Div a D Fred Heer, ehem. Kommandant Lehrverband Panzer/Artillerie, ehem. Stellvertreter Kommandant Heer, Steffisburg

Prof. Dr. Rudolf Jaun, Prof. em. für Geschichte der Neuzeit und Militärgeschichte am Historischen Seminar der Universität Zürich, Zürich

 

Dr. Dieter Kläy, Tagungsleiter und Vorstandsmitglied der GMS

Der Bericht des Tagungsleiters

Der Weg des Panzers Leopard 2 in die Schweizer Armee

Der Weg des Panzers Leopard 2 in die Schweizer Armee war – wie andere Rüstungsgeschäfte in der Schweiz – begleitet von Kontroversen und Abstrichen. Immerhin beschaffte die Schweiz mit dem Leopard 2 einen Kampfpanzer hoher Qualität und Zuverlässigkeit. 100 Teilnehmerinnen und Teilnehmer folgten anlässlich der GMS-Frühjahrstagung den Referenten Peter Muff, Fred Heer und Rudolf Jaun.

Selten besass ein Waffensystem, das nie im Gefecht gegen einen gleichwertigen Gegner eingesetzt worden ist, wie der Kampfpanzer Leopard 2 (Leo 2), einen so ausgezeichneten Ruf («Game-Changer», «der beste Panzer»). Dabei ist ein Panzer lediglich ein Kompromiss zwischen der Feuerkraft und dem Schutz. Peter Muff, Vorstandsmitglied der Schweizerischen Vereinigung für Militärgeschichte und Fahrzeug-Experte HAM Burgdorf, legte in seinem Referat «Herkunft und Entwicklung des Leopard 2» die Basis für die vertiefte Auseinandersetzung, der die GMS-Frühjahrstagung 2024 gewidmet war. Die Anfänge gehen auf das Jahr 1956 zurück, als die Bundeswehr gegründet worden ist. Bereits 1957 schlossen Deutschland und Frankreich ein Abkommen zur Einführung eines «europäischen Standardpanzers» ab, dem später auch Italien beitrat. Zwei Konsortien in Deutschland und AMX in Frankreich bauten Prototypen. In Deutschland wurde der Standardpanzer «Leopard» getauft, ein Auftrag für 1500 Fahrzeuge erteilt und Krauss-Maffei als Generalunternehmer bestimmt. Erfolgsfaktoren waren Ergonomie für die Besatzung, einfache Wartung, Zuverlässigkeit und Entwicklungspotential. Die erste Serie wurde 1965 ausgeliefert. Insgesamt 4700 Stück Leopard 1 wurden bis 1984 gebaut, in 5 Versionen weiterentwickelt und in 15 Ländern eingesetzt. Bei der Truppe war er in hohem Masse beliebt.

Peter Muff
Peter Muff

Geburtsstunde des Leo 2

Bald kamen Forderungen für eine Weiterentwicklung auf den Tisch. Als «vergoldeter Leopard» begann Porsche, eine modernisierte Version auf der Basis des Leo 1 zu entwickeln. Der damalige deutsche Verteidigungsminister Helmut Schmidt entschied 1970, einen Prototyp des Leo 2 zu machen, nachdem ein Projekt eines Kampfpanzers MBT 70 aus verschiedenen Gründen gescheitert war. 1973 hatte der Jom Kippur Krieg gezeigt, dass eine stärkere Panzerung notwendig war. Der Leo 2 war damals im Truppenversuch. Die ganze Entwicklung hat 600 Millionen DM, heute ca. 1,3 Mia. Euro, gekostet. Diese Summe zeigt die Herausforderung, die auch die Schweiz bei der Eigenentwicklung eines weiteren Panzers hätte aufbringen müssen. Eine Weiterentwicklung zum Leo 3 wurde nach dem Zusammenbruch der UdSSR 1991 nicht mehr forciert. Heute verfügen 20 Nationen über das Erfolgsmodell Leo 2. Verschiedene Generationen zeugen von einer Verbesserung. Mit der Version A6 wurde die Feuerkraft mit einer verlängerten Kanone L/55 erhöht. Diese Version ist in der Ukraine im Einsatz.

Einführung bei der Truppe

Divisionär a D Fred Heer, ehemaliger Kommandant Lehrverband Panzer/Artillerie und ehemaliger Stellvertreter Kommandant Heer, war in die Evaluation des Pz 87 (Leo 2) eingebunden. Diese Evaluation war erst die zweite. Die erste war der Entscheid zwischen dem britischen Kampfpanzer Centurion und dem amerikanischen Patton. Frühere Panzerbeschaffungen waren Notlösungen wie z.B. der französische AMX 13. Aus diesem Grund beschloss die Schweiz, eigene Panzer zu entwickeln, damit man später nie mehr zu spät ist. Diese Entwicklung muss aus der Bedrohung aus dem Osten durch die Warschauer Pakt Staaten verstanden werden. Die Basis legte die Konzeption über militärische Landesverteidigung vom 6.6.1966. Abwehr bestand in einem flächendeckenden Dispositiv aus Verteidigung und Angriff. Es galt einen feindlichen Angriff zu stoppen und mit mechanisierten Mitteln zu vernichten. Die damaligen Kampfpanzer 68 sollte für einen Gegenschlag gerüstet sein. Im Begegnungsgefecht setzt sich der bessere durch. Gegenspiele des damaligen Pz 68 (in 390 Stück gebaucht) war der sowjetische T 20 (in 20’000 Stück gebaut). Bald wurde der Pz 68 als «helvetische Missgeburt» tituliert. Eine parlamentarische Untersuchung war die Folge. Der Schlussbericht vom 17. September 1979 anerkannte verschiedene Mängel und schliesslich auch die Kampfuntauglichkeit. Bundesrat Gnägi trat daraufhin zurück. Bundesrat Chevallaz stoppte das Projekt eines Panzers 74 – eine weitere helvetische Eigenentwicklung – was den Weg frei machte für die Evaluation eines neuen Kampfpanzers. Der Leo 2 konkurrierte mit dem M1 Abrams, wobei der Leo 2 das Rennen machte. Die Entwicklung der vergangenen Jahre zeigt, dass auch heute wieder die Gefahr besteht, dass die Panzerwaffe vernachlässigt wird.

Div a D Fred Heer

Die politische Seite

Die politische Seite der Beschaffung des Pz 87 (Leo 2) beleuchtete Rudolf Jaun, Prof. em. für Geschichte der Neuzeit und Militärgeschichte am Historischen Seminar der Universität Zürich. Ursprünglich sollten 420 Leo 2 beschafft werden, was die damals höchste je einverlangte Kreditsumme war. Der politische Showdown war angesagt. Die Botschaft zur Beschaffung wurde am 29. Februar 1984 vorgelegt. Bereits am 8. März forderten SVP und FDP in einer Motion eine schnellere Produktion und einen tieferen Preis. Geplant war die Beschaffung von 35 Stück ab Stange, 175 Stück im Lizenzbau und gegen Ende der 80-er Jahre nochmals 210 Stück. Für die Koordination des Lizenzbaus zeichnete Bührle Contraves als Generalunternehmerin verantwortlich. Verschiedene Schweizer Unternehmen produzierten Komponenten (Vonroll für die Turmhaube, Wild für das Feuerleitsystem, KW Thun für die Montage, Sulzer für das Fahr- und Lenkgetriebe, GF für das Wannengehäuse und die Schutzpanzerung uam.).

Prof. em. Rudolf Jaun

Skandalisierung durch die Linke

Mit Hilfe der Medien kritisierte die Linke rund um Nationalrat Helmut Hubacher das Geschäft und trat eine Skandalisierungskampagne los. Der Ständerat (Erstrat) entschied, nur 380 Stück zu beschaffen und auf verschiedene Peripherieprojekte (z.B. Ausbildungspanzer) zu verzichten. Dieser Entscheid (Beschaffung von 35 Stück ab Stange und 345 im Lizenzbau) führte bereits zu einer Einsparung von gegen eine Milliarde.

Trotzdem entstand im linken Milieu eine ausserparlamentarische Bewegung, die die Beschaffung als unnötig erachtete. Das war die Geburtsstunde der Armee-Abschaffer. Einer Gruppe gelang es die Delegierten der SP zu einem Nein zu bewegen. Die Gegner bedienten sich vier Argumentationsfeldern. Erstens soll die Schweiz nicht am Rüstungswettlauf teilnehmen. Der Leo 2 ist ein Angriffspanzer und fördert die Annäherung an die Nato. Ebenso stand der industriell-militärische Komplex unter der Führung der Contraves in der Kritik. Wortführer war Hansjörg Braunschweig. Zweitens ging es um die Kosten. Mit der Panzerbeschaffung würden zu wenig Mittel für Bildung und Kultur bereitstehen. Drittens war die Beschaffung im Zuge des (damaligen) Waldsterbens nicht gut für die Umwelt (LDU NR Paul Günter). Ein viertes Argument war die Beschwörung des Weltuntergangs aus dem Kreis der Frauen für den Frieden. Damit ging es nicht nur um eine militärische Beschaffungsvorlage, sondern auch um die Umgestaltung der Gesellschaft auf den Pfad der Wehrlosigkeit.

Neben den eingefleischten Gegnern gab es eine Gruppe um den damaligen SP-Ständerat Otto Piller und LDU NR Paul Günter, die sich auf die Konzeption von 1966 abstützte und die Panzerabwehr stärken wollte. Sie schlug vor, die Infanterie zu stärken und anstelle der Panzer ein dichtes Netz von panzerbrechenden Mittel, verteilt über daüber das ganze Land, zu installieren.

Die Befürworter der Panzerbeschaffung stammten aus CVP und FDP. Sie fokussierte auf die Unerlässlichkeit der Beschaffung, will man einen Gegner erfolgreich abwehren. Zur Abwehr braucht es statische für Gegenschläge bewegliche Elemente. Der Tow-Piranha kann den Panzer nicht ersetzen, weil der Piranha nicht duellfähig war. Mit 144 zu 46 Stimmen stimmte der Nationalrat der Beschaffung inklusive Lizenzproduktion zu. Der Ständerat winkte das Geschäft oppositionslos durch. Diese Beschaffung hat bewegt. Zwar setzten sich die Befürworter durch. Der aufstrebende Widerstand gegen die Armee ist aber stärker geworden.

Gut gefüllte Ränge im Glockenhof

Schweizerische Vereinigung für Militärgeschichte und Militärwissenschaft: An regelmässig stattfindenden, meist ein- bis zweitägigen Kolloquien präsentieren in- und ausländische Historikerinnen und Historiker neueste Forschungsergebnisse zu verschiedensten Aspekten der Militärgeschichte. Darüber hinaus bietet die SVMM Reisen unterschiedlichen Umfangs an. Auf diesen Exkursionen kann Militärgeschichte hautnah im Gelände erlebt werden. Mit ihren Publikationen belebt die SVMM die geschichtswissenschaftliche Forschungslandschaft der Schweiz. In der Regel handelt es sich um Tagungsbände der durchgeführten Kolloquien.

Mehr unter www.ashsm.ch