Der deutsche Widerstand gegen das NS-Regime
Tagungsleiter und Referenten
- Dr. Dieter Kläy, Tagungsleiter und Vorstandsmitglied der GMS
- PD Dr. Hans Rudolf Fuhrer, Meilen
- Oberst a.D. Prof. Dr. Winfried Heinemann ehemaliger Chef des Stabes im Zentrum für Militärgeschichte und Sozialwissenschaften der Bundeswehr (vormals Militärgeschichtliches Forschungsamt, MGFA) Potsdam
Der Bericht des Tagungsleiters
Zwei Persönlichkeiten des deutschen Widerstandes gegen das NS-Regime standen im Zeichen der Herbsttagung 2022 der Gesellschaft für militärhistorische Studienreisen GMS. Hans Rudolf Fuhrer zeichnete das Wirken Dietrich Bonhoeffers auf. Winfried Heinemann, Honorarprofessor an der Brandenburgischen Technischen Universität Cottbus und Generalsekretär der Deutschen Kommission für Militärgeschichte, widmete sich der Operation Walküre und besonders Claus Graf Stauffenberg. Über 100 Teilnehmende folgten den beiden Referenten.
Hans Rudolf Fuhrer zitierte einleitend Johann Adolf Graf von Kielmansegg (1906-2006), ein General des Heeres der Bundeswehr, der zuvor schon in der Reichswehr sowie der Wehrmacht gedient hatte. Dieser stellte fest, dass der Widerstand im Dritten Reich keine einheitlich gelenkte Untergrundorganisation war, der man beitreten konnte. Tatsächlich handelte es sich um eine grosse Zahl von kleinen und kleinsten Gruppierungen, die zum Teil keine Verbindungen oder Kenntnisse voneinander hatten und isoliert agierten. Im Dschungel der verfilzten Befehlsstruktur des NS-Regimes war eine einheitliche Organisation im Geheimen nicht möglich.
Der in einem grossbürgerlichen Umfeld aufgewachsene Theologe Dietrich Bonhoeffer, der nicht dem Kreis Stauffenbergs angehörte, betonte, dass Glauben und Handeln übereinstimmen und die kirchliche Botschaft die Wirklichkeit der Welt treffen muss. Im Alter von 24 Jahren habilitiert, trat er im November 1931 sein erstes Pfarramt in Berlin an. Er zeigte sich enttäuscht über den mangelnden Mut der Kirche. 1933 emigrierte er nach London. Nach seiner Rückkehr nach Deutschland 1935 führte er Predigerseminare durch, die 1937 verboten wurden. «Dem Rad selber in die Speichen fallen, wenn der Staat Recht und Ordnung missachtet». Nach diesem Motto trat er schrittweise den Weg in die Illegalität an. Nach einer erneuten Emigration nach London und später in die USA – ihm drohte die Wehrpflicht – kehrte er kurz vor Ausbruch des Zweiten Weltkriegs nach Deutschland zurück. Er sah für sich kein Recht zur Einflussnahme nach dem Krieg. 1940 wurde Bonhoeffer der Abwehrstelle München zugeordnet. Dass er damit im Dienst des NS-Staates stand, war auch ein Schutz für ihn. Er sollte seine ökumenischen Kontakte für die Verschwörer nutzen, um mit den Alliierten Verhandlungen einzuleiten, sollte Hitler einem Attentat zum Opfer fallen.
Doch er hat nichts erreicht. Die Alliierten wollten nichts hören. Nicht mal beim Papst in Rom hatte er Erfolg. Im Gegenteil. Sein Unternehmen Sieben zum Schutz und der Evakuierung der Juden flog auf. Anfang August 1943 wurde er von der Gestapo gefasst und am 9. April 1944 im KZ Flossenbürg umgebracht.
Winfried Heinemann kam in seinem Referat zum Schluss, dass das Reichsheer zusammen mit den übrigen Oppositionellen nicht in der Lage gewesen wäre, Hitler zu verhindern. Claus Schenk Graf von Stauffenberg sah die Lösung nur in einem Attentat gegen Hitler, das der SS hätte in die Schuhe geschoben werden müssen, damit das Reichsheer die Macht hätte übernehmen können. Es gab zwei Ausführungen von Walküre-Befehlen. Zum einen handelte es sich um eine Eventualplanung für den Fall, dass Kommunisten, Zwangsarbeiter uam. einen Aufstand im Innern Deutschlands hätten verüben wollen. Diese Stufe war eine Art Notfallplanung, in die viele eingeweiht waren und die den Charakter eines offiziellen Auftrags hatte. In den geheimen Zusatzbefehlen wurde umrissen, worum es tatsächlich ging. Hitler solle liquidiert werden. Doch der Umsturzversuch ist von allen Anfang an nicht so gelaufen, wie es geplant war. Stauffenberg wollte schon am 15. Juli 1944 das Attentat vollenden, brach es aber ab. Mit viel Aufwand musste eine militärische Übung vorgetäuscht werden. Ein zweites Mal liess sich das nicht mehr machen. Stauffenberg hatte eine grundsolide Planung, die aber nur unter der Voraussetzung, dass Hitler getötet wird, funktionieren konnte. Aber Hitler überlebte.
Dieter Kläy, Vorstandsmitglied
Buchtipp: Winfried Heinemann, Unternehmen „Walküre“, eine Militärgeschichte des 20. Juli 1944 (Zeitalter der Weltkriege, 21, Band 21), ISBN/ 978-3-11-073508-6, Verlag: De Gruyter, Erscheinungsjahr 2020, 416 Seiten.