Herbsttagung 2025

Samstag 22.11. 2025

Israel und Iran – Spannungen im Nahen Osten

Samstag, 22. November 2025, 9.45 bis 12.30 Uhr

Glockenhof, Sihlstrasse 33, 8001 Zürich

Referenten

Dr. Dieter Kläy, Tagungsleiter und GMS-Vorstandsmitglied

Hanspeter Büchi, Nahostspezialist, Stäfa

Dr. phil. Urs Gösken, Islamwissenschaftler, Dozent für Arabisch am Sprachenzentrum der Universität und ETH Zürich.

Die Zusammenfassung des Tagungsleiters

Iran und Israel: Konflikt im Nahen Osten um ein Kapitel reicher

Mit dem Zwölftage-Krieg zwischen Israel und dem Iran im Juni 2025 wurde die komplizierte Situation im Nahen Osten um ein Kapitel reicher. Israelkenner Hanspeter Büchi und Iranist Urs Gösken erläuterten an der GMS-Herbsttagung vor 130 Zuhörenden die Hintergründe.

Israel, klein, aber dauernd im Zentrum der Weltpolitik! Hanspeter Büchi (hpbu@sunrise.ch) zeichnete den Weg zu dessen Entstehung auf. Seit den Römern und bis 1948 hiess das Gebiet «Palästina», war aber nie ein Staat. Mark Twain nannte es öde, hoffnungslos. Einwanderer vergrösserten ab 1882 die jüdische Präsenz. Nach 400 Jahren Teil des Osmanischen Reichs wurde es 1920 von den Alliierten zur jüdischen Heimstätte bestimmt. Dies basierend auf der Balfour-Erklärung von 1917, in der die Briten eine solche in Palästina unterstützten (Araber und Christen sollten bleiben). 1922 beauftragte der Völkerbund Grossbritannien, diese auf dem Gebiet vom Jordan bis zum Mittelmeer zu errichten (auf 23% Palästinas). Den Hauptteil (77%) reservierte Churchill für das neue Transjordanien. Die Araber waren ihm zunehmend wichtiger.

So wurde die jüdische Einwanderung laut Referenten zunehmend erschwert. Dafür gelangten illegal etwa 500’000 Araber ins Mandatsgebiet. 1947 kündigten die Briten das Mandat. Daraufhin schlug die UNO die Teilung in zwei separate Staaten vor. Die Juden sagten ja, die Araber nein. Damit blieb die territoriale Regelung von 1922 gültig. Am 14. Mai 1948 rief David Ben Gurion den Staat Israel aus, der umgehend von 5 arabischen Armeen angegriffen wurde. Israel hielt stand, doch besetzten Jordanien illegal Ostjerusalem und das Westjordanland, Ägypten den Gazastreifen. Damals verliessen Hunderttausende Palästinenser ihre Häuser, grösstenteils weil von eigenen Stellen befohlen. 830’000 Juden wurden damals aus arabischen Ländern vertrieben. Im Sechstagekrieg 1967 eroberte Israel u.a. die 1948 verlorenen Gebiete zurück. Seit dem Sieg von 1967 wurde die Welt jedoch israelkritischer.

Israel liegt auf ehemals islamischem Territorium (Dar al-Islam). Laut Islam muss es wieder unter islamische Herrschaft, damit Israels Existenzrecht verneinend. Die in den Oslo-Verträgen 1993/95 vereinbarte palästinensische Selbstverwaltung von Teilen des Westjordanlands brachte keinen Frieden. Arafat setzte den Terror fort. 2005 räumte Israel den Gazastreifen. Es folgte der Raketenterror der Hamas gegen Israel, führend zu zwei Gaza-Kriegen. Am 7. Oktober 2023 kam es zum schrecklichen Terrorangriff der Hamas, der zum Krieg Israels gegen diese führte. Ob Trumps Plan voll umsetzbar ist, bleibt offen. Offen auch die Schuldfrage wegen des Versagens Israels an jenem Tag. Offen, was von den X Vorverurteilungen Israels bleiben wird. Den einseitig israelkritischen Medien stellt der Referent kein gutes Zeugnis aus. Nichts hält er von der «Zweistaatenlösung», die nichts am Ziel der palästinensischen Seite ändert, Israel zu vernichten (Charta der PLO).

Irans Regime unter Druck

Der Angriff der Hamas auf Israel am 7. Oktober 2023 hat auch Folgen auf das politische Geschehen im Iran. Dies die Bilanz von Islamwissenschaftler Urs Gösken, welcher die Entwicklung seit der Revolution von 1979 nachzeichnete.

Die Revolution von 1979 hat eine Vorgeschichte. Neben der religiösen Richtung gab es alternative Strömungen wie der Kommunismus oder der Liberalismus. Sie konnten sich nicht durchsetzen, da die Landbevölkerung für die Revolution empfänglich war. Im vorrevolutionären Status wurde Iran als US-Kolonie angeschaut. Seine Würde verlor der Iran an den US-Imperialismus. Ǧalāl-e Āl-e Aḥmad, ein Linksintellektueller (1923 – 1969) hat diese kulturelle Entwürdigung bereits in den 60er Jahren diagnostiziert und eine Identitätssuche der iranischen Seele vorgenommen. Seine Antwort war der schiitische Islam. Nur die schiitische Religion habe sich bislang nicht vom Westen vereinnahmen lassen. Das sei die wahre Identität des Iran. Ein anderer Linksintellektueller war ʿAlī Šarīʿatī (1933 – 1977). In der Ablehnung des Westens als imperialistische Macht konnten sich linke und Islamisten finden. Šarīʿatī sah das auch als Kulturrevolution an. Selbst erlebte er sie nicht mehr, da er 1977 unter mysteriösen Umständen starb.

Ayatollah Chomeini hat im irakischen Exil das Konzept des Gottesstaates aufgrund des islamischen Rechts ausgearbeitet. Das Schiitentum hat sich aber bereits seit dem 16. Jahrhundert im Iran als Staatsreligion durchgesetzt. Die schiitischen Gelehrten haben sich hierarchisch organisiert. An der Spitze stehen die Ayatollahs, ein Ehrentitel. Im Konzept der Theokratie sorgt Gott jederzeit für seine Schöpfung und damit für die Menschheit.

Nach dem Ableben des Propheten Mohammad ist der Imam der Nachfolger. Der Zwölfte Imam soll sich in die «grosse Verborgenheit» zurückgezogen haben, die bis heute andauert. Heute haben die höchsten Religionsgelehrten des Islams die Pflicht den Staat zu übernehmen und die Staatsgewalt auszuüben.

Nach der Revolution kam es in der Bevölkerung zu Evolutionen, die man als die eigentliche Revolution bezeichnen kann. Die dank des Schulsystems hochgebildete, gut vernetzte Gesellschaft erlebt heute keinen Kulturschock. Frauen haben intakte Aufstiegsmöglichkeiten. Die Intellektualisierung der Gesellschaft bedeutet auch eine Intellektualisierung der Religion. Die Gesellschaft ist zunehmend kompetitiv. Man muss gut sein in der Schule und hart arbeiten. Die Familie schrumpft von der Gross- zur Kleinfamilie. Die Gesellschaft hat nur eine geringe Mitsprache.

Im Iran gilt die Vormundschaft des Rechtsgelehrten (Velāyat-e faqīh). Damit ist der Iran der einzige Staat der Welt, in dem das Militär nicht dem Staatspräsidenten untersteht, sondern dem religiösen Oberhaupt. Die religiösen Gelehrten verwalten das ganze Staatswesen treuhänderisch für den 12. Imam. Die religiösen Führer tun das nach bestem Wissen und Gewissen. Es ist auch nicht die Gewissensentscheidung des Einzelnen, ob man die Lebensorientierung einem Gelehrten gibt, sondern man ist gezwungen, das über den Staat zu tun. Die Angehörigen des iranischen Staates werden nicht als mündiger Bürger angesehen. So wird der Boden für die Wiederkehr des erwarteten 12. Imams gelegt. Religiosität wird im Iran mehr und mehr zu einer sehr reflektierten Angelegenheit. Religiös bedeutet Staatstreue. Heute wird die Religiosität immer mehr individualisiert. Bürgerlichkeit und Konsumverhalten sind eine Form von zivilem Ungehorsam. Die Justiz ist nicht unabhängig. Sie untersteht dem Religionsführer Für die Bürgerinnen und Bürger geht es im Alltag nicht darum, ob dies oder das (z.B. Alkoholkonsum) verboten ist, sondern die Frage ist, wird man erwischt oder nicht. Damit ist die Freiheit im Iran letztlich das Abfallprodukt von Gesetzeslücken.

Die Theokratie setzte sich letztlich in den achtziger Jahren durch, weil sie eine Basis in der breiten Bevölkerung hatte und sich keine Alternativen wie z.B. der Kommunismus durchsetzen konnten. Zehntausende wurden ermordet und ins Exil getrieben. Der Krieg mit dem Irak und die Kriegswirtschaft warfen viele islamische Projekte zurück.

Chomeini starb 1989. Nachfolger wurde Chamenei, der kein Ayatollah und in religiösen Kreisen diskreditiert ist. Seine fehlende Legitimation versucht er durch Zwangsmassnahmen und Macht durchzusetzen.

Von der politischen Richtung ist zwischen Konservativen, Pragmatikern und Reformern zu unterscheiden.

  • Konservative vertreten die reine Lehre und wollen den Revolutionsexport. Mit Chamenei haben sie das Heu nicht auf der gleichen Bühne. Sie stellen auf Stellvertreter-Milizen wie Hamas und Hisbollah ab, damit der Krieg vom iranischen Territorium ferngehalten wird.
  • Die Pragmatiker fordern eine «Iran-first-Politik». Sie sind eher nationalistisch, können mit der Religion nicht viel anfangen und wollen wirtschaftliche Liberalisierung. Der Revolutionsexport ist nicht wichtig.
  • Die Reformer akzeptieren die Theokratie und fordern, dass sie stärker vom Volk ausgeübt wird. Sie sind mal pragmatischer, mal konservativer.

Im Nahen Osten hat der Iran keine Vormachtstellung mehr, sondern baut auf Stellvertreterorganisationen. Das Atomprogramm ist ein Ersatz für den gescheiterten Krieg mit dem Irak. Die «Achse des Widerstandes» ist am 7. Oktober 2023 zusammengebrochen. Die Hisbollah ist besiegt und die Hamas nicht mehr kampffähig. Syriens Machthaber Assad ist im Dezember 2024 gestürzt worden. Der Zwölftagekrieg zwischen Israel und Iran im Juni 2025 hat innenpolitische Auswirkungen. Die Sanktionsschraube dürfte weiter angezogen werden, was die Gesellschaft direkt spüren wird. Die Ablehnung Israels durch den Iran ist ideologisch und kein eigenes Traktandum des iranischen Volks.

Dieter Kläy

 Für Rückfragen zum Teil Israel: Hanspeter Büchi (hpbu@sunrise.ch)

Stefan Gubler’s Tagungsbilder

 

 

 

Aktualisiert am 24/12/2025

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