Die Verteidigung der Reduiteingänge zwischen Zürichsee und Zugersee

Inhalt aktualisiert am 22.09.2021
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DER REISEBERICHT


Reiseleitung: Br (a D) Daniel Lätsch

Ein Exkursionstag

Erstmalig im Reiseangebot


Thematische Umschreibung


Am 10. Mai 1940 eröffnete die Wehrmacht den Westfeldzug. Während das Gros der deutschen Kräfte erschreckend rasch Richtung Kanalküste stiess, schwenkte Guderian mit seinem Panzerkorps nach Süden ein und erreichte am 16. Juni die Schweizergrenze bei Pontarlier. Die Schweiz war jetzt fast vollständig von Achsenmächten umschlossen und die Armeeführung war gezwungen, die Kräfte umzugliedern. Mit dem Operationsbefehl Nr. 12 vom 17. Juli 1940 schuf General Guisan die Grundlagen für den Einsatz der 6. Division im Reduit und zwar im Raum Schindellegi – Sattel – Zugersee – Höhronen. Der Fokus der Studienreise liegt bei den operativen taktischen und logistischen Herausforderungen sowie den psychologischen Auswirkungen des Reduitkonzeptes.

Programm


0815: Abfahrt mit Car ab Zürich, Sihlquai nach Hütten. Während der Fahrt Ausführungen

  • zur 6. Division in der Limmatstellung, Fall ‘GELB’ (Westfeldzug), Verlängerung der Armeestellung nach Westen,
  • zur OB, den Mitteln der 6. Division und der Einsatzdoktrin
  • zur Suche nach einer neuen Verteidigungskonzeption
  • zur Mobilmachung und Überprüfung dieser Konzeption mittels einer Truppenübung.

Im Raum Hütten folgt

  • eine geo-taktische Orientierung hinsichtlich der Vortruppen und der Abwehrfront am Höhronen
  • Auftrag, Absicht und Entschluss der Kampfgruppe Stucki und des Inf Rgt 25 (-)
  • Sperrwirkung der Sprengobjekte an der Sihl

Weiterfahrt nach Schindellegi, Kaffeepause, anschliessend Ausführungen zu den Dispositiven auf dem Chaltenboden (Füs Bat 70) und in Biberbrugg.

Fahrt zur Dritten Altmatt. Analyse der

  • Rückwärtigen Sperren Inf Bat 71 (Altmatt und Bibersteg)
  • Vorgeschobenen Art Stellungen F Art Abt 18
  • Beob Po SKdt Sch F Hb Abt 50
  • Reserve (Füs Bat 84) aus F Div 7 und des
  • Stellungsraum F Hb Abt 50 bei Rothenthurm

Mittagessen in Biberegg, anschliessend Fahrt via Sattel nach Morgarten.

  • Geistige Landesverteidigung am Beispiel der Schlacht am Morgarten 1315
  • Artilleriestellungsraum Sch F Hb Abt 50
  • Morgartendenkmal: 3. Schlacht am Morgarten
  • Artilleriestellungen Hürital F Art Abt 16
  • Tankhindernis und Bunker im Raum Hünggi – Sibrisboden

Weiterfahrt nach Unterägeri. Ausführungen

  • zum Dispositiv des Detachements Alosen (Füs Bat 65 und 106, später: Inf Rgt 27)

Rückfahrt via Sihltal nach Zürich, erwartete Ankunftszeit: 1830

Dokumentation


Inhalt aktualisiert am 22.09.2021

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Reiseberichte


Diese Exkursion durfte aufgrund des grossen Interesses zweimal durchgeführt werden. Von der ersten Auflage (03.07.2021) berichtet der Präsident der GMS, die Eindrücke zur zweiten Exkursion (16.07.2021) werden von Dr. Walter Grete zusammengefasst.

Die 6. Division im Reduit: Erkenntnisse und Einsichten

Dr. Georges Bindschedler

Die Reise führte in den Einsatzraum der 6. Division zwischen Zürichsee-Schindellegi-Rothenturm-Aegeri. Diesen Raum hatte die Division im Rahmen des Reduitbefehls General Guisan’s vom August 1940 bezogen. Vorher war sie in der Armeestellung zwischen Zürich und Schlieren im Einsatz gewesen.  Der neu zugewiesene Einsatzraum der Division entsprach einem der für einen Gegner geeigneteren Annäherungsräume ans Reduit. Drei Achsen (Schindellegi, Ägerisee, Zugersee) führten in diesem Abschnitt ins Reduit und mussten wirksam gesperrt werden können. Br Lätsch erläuterte im Gelände und bei der Besichtigung einzelner Hindernisse und Befestigungsbauten wie die 6. Division unter ihrem Kommandanten Herbert Constam originelle taktische Lösungen wählte.

Einmal bezog die Division ihre neuen Stellungen aufgrund der Erfahrungen und Erkenntnisse einer Mobilmachungsübung. Sodann setzte Constam seine eigenen Überzeugungen und Erkenntnisse um. Er verfasste die von der Armee erlassenen Weisungen für die Kampfführung in der Verteidigung von 1939 auf der Basis der Kriegserfahrungen auf dem Balkan neu. Diese Neufassung überzeugte auch General Guisanplatz, der im Mai 1941 den Weisungen Gültigkeit für die ganze Armee verlieh. Seine Überzeugungen waren, dass die Verteidigung offensiv und angriffsweise geführt werden müsse und das konzentrierte Feuer entscheidend sei. Der Gegner musste überrascht werden können, Hindernisse und Befestigungsbauten dienten als Ausgangsstellungen für die angriffsweise Abwehr; deshalb liess er auch zahlreiche Unterstände zum Schutz der Infanterie bauen und legte weniger Gewicht auf ausgebaute bewaffnete Bunkerstellungen. Die Tiefenstaffelung der Abwehrlinien schienen dem Divisionskommandanten wesentlich; sie sollten die Handlungsfreiheit wahren helfen und Angriffe aus der Tiefe des Raumes ermöglichen.

Allerdings zeigten die Besichtigungen im Gelände auch gewisse fragwürdige Anordnungen auf. So ist eine rein infanteristische Verzögerung im offenen Gelände damals wie heute wohl sehr schwierig, wenn nicht gar illusorisch. Ferner befanden sich einige Befestigungsanlagen in der zweiten Abwehrlinie bei der Äusseren Altmatt am Vorderhang und waren damit dem feindlichen Feuer ausgesetzt.

Da die Infanterie damals nicht gefechtsfeldbeweglich war, erhielt die Artillerie eine umso grössere Bedeutung. Der Divisionskommandant führte die Artillerie selber, um den Abwehrkampf wirksam beeinflussen zu können.

Interessant waren die zahlreichen Hinweise zu den Auffassungen von Constam zur Kriegführung im Allgemeinen. Er war überzeugt, dass die „geistige Regsamkeit und Energie der Kommandanten aller Grade“ entscheidend für den erfolgreichen Kampf sei. Auch sollte der Offizier belesen sein und sich ständig mit den Entwicklungen des Kriegswesens vertraut machen. Constam selbst verfolgte genau, was auf den Kriegsschauplätzen des Weltkrieges vorging und passte sein Dispositiv entsprechend laufend an. Eigenartigerweise gab es aber offenbar keine auf den Raum bezogene Feindauffassung, die ihren Niederschlag in Armeepapieren gefunden hätte. Was heute jedem Unternehmer als Teil einer Stärken/Schwächen-Analyse selbstverständlich ist, war offensichtlich im Zweiten Weltkrieg noch nicht üblich.

Die Reise zeigte auf eindrückliche Weise das Bemühen der 6. Division auf, ihre Mittel mit dem zu verteidigenden Raum in Einklang zu bringen und die sich verändernden Verhältnisse im Kriegswesen zu berücksichtigen. Die Auffassungen Constams sind in einem gewissen Sinne durchaus modern und beispielhaft. Der Nachfolger Constams, Div Marius Corbat, der die Führung der Division 1944 übernahm, war viel weniger prägend, wobei das vermutlich eher an seiner Herkunft aus dem Berner Jura und seinen schwachen Kenntnissen der Deutschschweizer Sprache lag.

Die Reise, die bei angenehmem Wetter begonnen hatte, endete schliesslich mit typischem Infanteriewetter bei strömendem Regen. Den gewonnenen Einsichten und Erkenntnissen tat dies keinen Abbruch.

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Die 6. Division im Reduit: „Ein emotionaler und körperlicher Kraftakt“

Dr. Walter Grete

Als im September 1940 der Einsatzbefehl an die Zürcher Truppen der 6. Division erging, ihre bisherigen befestigten Stellungen an der oberen Limmat zu verlassen und neu ihren Eissatzraum an Zürcher- und Zuger-Eingängen zum Talkessel von Schwyz zu beziehen,  dürfte für die Wehrmänner erneut ein emotionaler Kraftakt angestanden sein. Bereits nach der Mobilisierung musste der Soldat verdauen,  dass ein flächendeckender Schutz seiner Heimat auf Grund der neuen, in Polen aufgezeigten Waffenwirkung, ganz einfach nicht möglich war. Der Zürcher Unterländer Soldat erlebte bereits den Rückzug hinter die Limmat mit mehr als gemischten Gefühlen. Inzwischen hatte er ein ganzes Jahr bei Wind und Wetter hinter der Limmat Stellungen gebaut, lernte dort Weg und Stege kennen und gewann Vertrauen in die eigenen Verteidigungsmassnahmen. Nun sollte er wiederum in neuem Gelände – noch weiter entfernt von seiner Wohn-Heimat –  mit dem Aufbau einer neuen Verteidigungs-Linie beginnen.

Vor diesem Hintergrund waren die Kader ausserordentlich gefordert. Zwar hatten die Landesausstellung und zweifellos die Aktivitäten von Heer und Haus die Grundhaltung zur nationalen Eigenständigkeit gestärkt, aber die Umsetzung einer Grundhaltung in militärisches Handwerk war ein Kraftakt für die Kommandanten.  An der Spitze der 6. Division stand glücklicherweise eine  herausragende Persönlichkeit: Divisionär Herbert Constam, ein kreativer, durchsetzungsfähiger Kommandant, ein Meister einer „aggressiven Verteidigung mit begrenzten Mitteln.“ Viele seiner Ideen waren kaum reglementkonform, aber sie fanden sich wenig  später im neuen eidgenössischen Reglement! Unter seiner Führung hat die Zürcher Division auch die neue Herausforderung an den Reduit-Eingängen hervorragend gemeistert und in kurzer Zeit mit „Schaufel und Pickel“ eine in die Tiefe gestaffelte Abwehrlinie geschaffen.

Über die Führer-Persönlichkeiten der 6. Division, über die Gliederung der Truppen, über die damalige einfache Befehlstechnik, über zentral geführte Artillerie mit Rohren aus Jahrgängen zwischen 1882 (!)  – 1935, über das Netzwerk von befestigten Infanterie-Stellungen, Sperren und Panzergräben erhielt der Teilnehmer der Exkursion nicht nur Einblick in hervorragend ausgewählte Anschauungs-Objekte im Gelände sondern auch die vom Reiseleiter Brigadier (a.D.) Lätsch  sorgfältig verfasste, differenzierte  Reise-Dokumentation mit speziellen  erwähnenswerten Exkursen zur damaligen Zeitgeschichte.

PS: Das Gelände zwischen Zürich- und Aegerisee war über Jahrhunderte  Zeuge der Auseinandersetzungen  zwischen Zürchern und Innerschweizern. Zuerst ging es um das Erbe des Grafen von Toggenburg und die Handelswege nach Graubünden, und den vorübergehenden Wechsel der Zürcher zu Österreich  im alten  Zürich-Krieg

Später, in den Kappeler-Kriegen standen Differenzen um Religion und Söldnerwesen im Vordergrund.

Die Villmerger-Kriege  waren wiederum Folgen der Reformation. Die Schanzenlandschaft der Zürcher Stellungen kann noch heute zwischen Horgen und Hütten besichtigt werden.

In den Franzosenkriegen verteidigten die Innerschweizer im Gelände der 6. Division letztlich erfolgreich, verloren aber den Krieg durch die Umgehungaktion der französischen Truppen unter Schauenberg direkt nach Luzern.

Im Sonderbund- Krieg  verteidigten ebenda die Zentralschweizer Kantone die Zugänge nach Schwyz. Auch sie wurden durch die Umgehung ins Luzerner-Zentrum durch Dufour ausmanövriert.

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Die Fotogalerie von Adrian Gratwohl