Terroristen oder Freiheitskämpfer?

Inhalt aktualisiert am 17.08.2023
Print Friendly, PDF & Email

ZUM REISEBERICHT VON PETER BACHMANN

ZU DEN REISEBILDERN VON HANS-PETER FÄHNDRICH

ZU DEN VIDEO-LINKS ZUR REISENACHBEARBEITUNG


Reiseleitung: David Accola

Drei Exkursionstage

Wiederholungsreise (2018)


Thematische Umschreibung


Die „schwierige Zeit“ in Südtirol beginnt mit dem schicksalshaften Entscheid von St. Germain. 1919 wurde das Tirol „südlich des Brenners“ territorial Italien zugesprochen. Nachvollziehbar, dass sich die deutschsprachige Bevölkerung (95%) diesem Verdikt nicht fügen wollte. Selbstbestimmung oder zumindest die Autonomie ihrer Heimat war deren Ziel. Das faschistische Italien hingegen verfolgte das Ziel einer vollkommenen Italianisierung, letztlich auch mit Unterstützung des Dritten Reichs.
Nach dem Zweiten Weltkrieg sollte die Situation durch den „Gruber-Degasperi-Vertrag“ entschärft werden. Die dort vereinbarten Zugeständnisse an die „deutschsprachige Bevölkerung des Alto Adige“ wurden jedoch kaum eingehalten. Südtirol bekam zwar einen autonomen Status, aber als Teil der Provinz „Trentino-Alto Adige“, wo sie weiterhin eine kulturelle Minderheit darstellten.

Angesichts dieser Situation schlossen sich in den Fünfzigerjahren des letzten Jahrhunderts freiheitsliebende Männer zum „Befreiungsausschuss Südtirol“ (BAS) zusammen. Moralisches Vorbild vieler BAS-Aktivisten war Andreas Hofer, 1809 der Inbegriff des Tiroler Freiheitskämpfers. Sein Standbild findet sich in Innsbruck, in Kufstein, in Meran und vielen weiteren Städten. Diese „Südtirolaktivisten“ verfolgten zwar ein einheitliches Ziel, wandten aber zu dessen Erreichung unterschiedliche Methoden an. Letztere interessieren uns während dieser Reise besonders, verbunden mit der Frage: wann wird ein Freiheitskämpfer zum Terroristen bzw. der Terrorist zum Freiheitskämpfer?

 

Reiseprogramm


Erster Reisetag

0830 Uhr: Abfahrt ab Zürich, Carparkplatz Sihlquai nach Zernez. Einführung „Der Weg ins Elend“ während des Aperitifs. Mittagessen im Hotel Bär und Post. Weiterfahrt über den Ofenpass nach Sta. Maria. Fortsetzung der Einführung „Erster Weltkrieg und die Autonomiebestrebungen bis 1957“ im ‚MUSEUM 14/18‘. Anschliessend Weiterfahrt durch das Vinschgau nach Meran. Zimmerbezug für zwei Nächte. Abendessen und Übernachtung.

Zweiter Reisetag

Freitag
Abfahrt nach Bozen und Besichtigung der Stadt. Anschliessend Fahrt zum Schloss Sigmundskron. Besuch von Frangart (Gründung des BAS). Mittagessen. Nachmittags Fahrt via Waidbruck (Erste, symbolische Anschläge des BAS) nach Marling. (Anschläge gegen die italienische Infrastruktur). Abendessen im Gastgarten (witterungsabhängig) eines „urigen Buschenschanks“ in Lana. Fahrt nach Meran. Übernachtung im Hotel.

Letzter Reisetag

Abfahrt durch das Passeiertal nach St. Leonhard und über den Jaufenpass nach Sterzing. Fahrt über den Brenner nach Innsbruck (Einfluss Nordtirols auf den BAS). Besuch des Tirol-Museums auf dem Bergisl. Individuelles Mittagessen. Rückfahrt über den Arlberg via St. Gallen nach Zürich. 1730 Uhr: erwartete Ankunftszeit am Carparkplatz Sihlquai.


Bestellung Reisedokumentation


Die Reisedokumentation ist erwerblich. Interessenten wenden sich zur

BESTELLUNG AN UNSEREN BÜCHERDIENST


Der Reisebericht von Peter Bachmann, bebildert mit Fotos des Verfassers und von Hanspeter Fähndrich.


Südtirols gebeutelte Geschichte beginnt 1919. Das deutschsprachige Gebiet zwischen Salurn und Brenner ist Italien als Gegenleistung für den Eintritt in den Krieg gegen Deutschland und Österreich nach dem Ersten Weltkrieg zugeschlagen worden. Wie in der ausgezeichnet verfassten Dokumentation geschrieben, lässt sich die Rechtmässigkeit eines Freiheitskampfes wohl exemplarisch diskutieren und auch nicht abschliessend beantworten.

Donnerstag, 4. Mai 2023: Zürich – Zernez – Sta. Maria – Meran

Pünktlich fahren wir los. Auf der Verkehrsachse nach Chur und Landquart ist nicht viel los. Im rollenden Hörsaal werden wir vom Reiseleiter auf die Feinheiten der Exkursion eingestimmt! Café-Halt in Davos-Wolfgang.

Winterliche Verhältnisse auf der Flüela

Rechtzeitige Ankunft im Hotel Bär & Post in Zernez zur Mittagspause, beginnend mit Apero und Einführung zur allgemeinen Geschichte des Tirols und zum Hauptthema der Exkursion. In dieser Gaststätte traf sich am 1. Juni 1961 der BAS (Befreiungsausschuss Südtirol) bei einem konspirativen Treffen (Liste der Anwesenden nicht abschliessend bekannt!).

VOLLBILDMODUS

Sie können die Präsentation durchblättern oder sie im Vollbildmodus öffnen!

Nach feinem Verpflegen angenehme Weiterfahrt ins Münstertal. In Sta. Maria kleiner Spaziergang zum Besuch im «Museum 14/18». Referat des Reiseleiters zur Entwicklung von 1914 bis 1957.

VOLLBILDMODUS

Sie können die Präsentation durchblättern oder sie im Vollbildmodus öffnen!

Nach Taufers tauchen wir ein in die beginnende Blüte der schachbrettartig angelegten Obstplantagen im Vinschgau. Kurzweiliges Reisen durch die Ortschaften und der Etsch entlang nach Meran.

Obstplantage

Das vorgesehene Eintreffen beim Grand Hotel Bellevue (ehemals Habsburgerhof) wird eingehalten! Erfrischt begeben wir uns zum Abendessen an den Ufern der Passer nahe des Kurparks der blumenreichen Stadt. Das Lokal ist sehr gut gewählt und hinterlässt einen nachhaltigen Eindruck. Dem gemeinsamen Tafeln folgen gute Gespräche bis in die ersten Nachtstunden.

Freitag, 5. Mai 2023: Bozen – Sigmundskron – Frangart – Waidbruck – Marling – Lana – Meran

Ein sonniger Tag kündet sich! Direkt von der Lobby erreicht man durch drei Türen das Fahrzeug in einer ehemaligen Remise. Einst wurden dort wohl Kutschen untergestellt – nun dient er als Car-Garage. Unsere charmante Chauffeuse lenkt den Wagen in der intensiv genutzten Ebene dem Ritten entlang nach Bozen. In der Nähe des Bahnhofes Auslad, kurz einer Allee entlang um auf den Waltherplatz im Zentrum der Altstadt zu gelangen. Zweckhalt für fotografische Gruppenaufnahme unter dem Standbild des Lyrikers Walther von der Vogelweide (Burg in Wolkenstein im Grödnertal).

Klein aber fein: die aufgestellte Reisegruppe auf dem Waltherplatz

Weiter durch die Altstadt, entlang der Arkaden über die Talferbrücke auf den Siegesplatz. Richtungswechsel (geographisch & politisch) unseres Reiseleiters um ins, in faschistischem Grau erbaute «Neu-Bozen» zu spazieren. Das Siegestor hat auch schon bessere Zeiten erlebt.

Das Siegestor mit der provokanten Inschrift, dass Italien ab hier den „andern“ Sprache, Recht und Kunst brachte.

Die wunderschönen Blumenrabatten links und rechts der Zufahrtsstrasse lenken vom Denkmal vorübergehend ab. Im Blumenbeet wird zudem auf die Knacknuss der unliebsamen Vergangenheit (Faschismus) auf einer, behördlich verordnet klein gehaltenen Tafel, hingewiesen. Gutes Beispiel für das Heuchlerhafte ist die lieblos gestaltete Piazza vor dem Justiz-Palast und dem gegenüberliegend dominierenden Relief des reitenden Mussolini mit den faschistischen Schlagworten: Credere, Obbedire, Combattere (Glauben, gehorchen, kämpfen).

Das Reliefbild des Duce auf dem Gebäude der Finanzämter

Die 2017 hinzugefügte Inschrift „Kein Mensch hat das Recht zu gehorchen“ führt zu angeregten Diskussionen. Der rätselhafte Satz stammt von der deutsch-amerikanischen, jüdischen Philosophin Hannah Arendt (1906-1975) und lässt sich nur richtig deuten, wenn er in den Kontext ihrer Analyse über die Staatsgläubigkeit versus der Eigenverantwortung gestellt wird.

Zum Mittagessen werden wir auf Schloss Sigmundskron erwartet.

Schloss Sigmundskron

Ein Schlüsseltag in der Südtiroler-Geschichte ist der 17. November 1957 als hier in der Feste rund 35’000 Menschen für ein freies Südtirol eintraten.

VOLLBILDMODUS

Sie können die Präsentation durchblättern oder sie im Vollbildmodus öffnen!

Im herrlich gelegenen Garten bei angenehmen Celsius-Graden klärt uns David Accola über die Zusammenhänge in der Südtiroler-Historie auf. Dieses Kastell hat Reinhold Messmer inzwischen zu einem beliebten Mountain-Museum umgebaut. Im sonnengeschützten Gartenrestaurant hat allen das kalte Plättli sehr gemundet.

Zu einer Südtiroler Marende gehören: Speck, Käse, Kaminwurzen und natürlich: Meerrettich
Zu einer Südtiroler Marende gehören: Speck, Käse, Kaminwurzen und natürlich: Meerrettich

Ganz in der Nähe liegt der Weiler Frangart. Zu Beginn am kleinen Strässchen zum sehr gepflegten Gottesacker ziert eine Holzplastik das Antlitz von Sepp Kerschbaumer welcher nach den Mailänder-Prozessen in der Haft am 7. Dezember 1964 verstorben ist. Die Beerdigung wird ein neues «Sigmundskron». Am Abschied dieses sanften Idealisten haben Zehntausende von Südtiroler teilgenommen.

Friedhof von Frangart

Nach unserem Ehrenbesuch an der Grabstätte besuchen wir das dreiundzwanzig Kilometer nördlich von Bozen liegende Gelände vor dem EW in Waidbruck. Hier im unteren Eisacktal erfolgte am 29./30. Januar 1961 der erste symbolische Sprengstoffanschlag auf das faschistische Reiterstandbild, das angeblich das Antlitz Mussolinis trug und so zum umgangssprachlichen «Aluminium-Duce» wurde.

Die Weiterfahrt führte uns nach Marling. Auf dem Tiroler-Platz sind seit 2009 vier Fels-Elemente aus den jeweiligen Landesteilen zu fotografieren und erinnern an die ungetrennte Tiroler-Geschichte.

Der Tiroler-Platz in Marling: vier Steinkolosse manifestieren die Unteilbarkeit Tirols

Die umfassende Aussicht direkt unterhalb der Kirche über den Talkessel von Meran fesselt. Angelehnt an einer überwucherten Mauer mit Efeu referiert unser umsichtiger Leiter über die Feuernacht vom 11./12. Juni 1961 bei der über vierzig Anschläge auf die Strom-Infrastruktur verübt worden sind.

VOLLBILDMODUS

Sie können die Präsentation durchblättern oder sie im Vollbildmodus öffnen!

Zum gemeinsamen Abendessen forderten die Mägen im Buschenschank bei Pfefferlechner zu Lana. Für die Übernachtung im Hotel werden wir mit dem Car bis knapp einige Meter vor der Theke in der Lobby befördert. Gute Nacht!

Samstag, 6. Mai 2023, Meran – Passeiertal – Sterzing – Brenner – Innsbruck – Zürich

Zeitig fahren wir los und schwenken ohne Verzögerungen in das liebliche wie auch sehr malerische Passeiertal. Nach einer halben Stunde Halt für eine Freiluft-Bildungseinheit unmittelbar im Gelände beim Gasthaus «Sand» (St. Martin). Hier wirkte Andreas Hofer als Wirt, Handelsmann, Rebell und Bauernfürst.

Vor dem Geburtshaus von Andreas Hofer im Passeiertal

Ganz in der Nähe auf Brunner Mahder (1567 m) gab es vom 6. auf 7. September 1964 ein schicksalhaftes Zusammentreffen von Südtiroler-Aktivisten. Dabei kam Luis Amplatz zu Tode. Der mutmassliche Mörder Christian Kerbler konnte nie gefasst werden. Hingegen entzog sich Georg Klotz aus Walten oberhalb St. Leonhard den Beamten und floh barfuss schwer verletzt mit einem Steckschuss in der Brust in 42-stündigem Marsch zur Siegerlandhütte auf 2710 m im Windachtal auf Nordtiroler-Seite. Auf der Fahrt zum Jaufenpass (2094 m) gab es nicht nur fahrerische und geographische Höhepunkte in Form von Natur (Berge) und Strasse (Kehren).

Auf der Fahrt zum Jaufenpass

Viele erhebliche Einzelheiten zum Thema radikale Form des Freiheitskampfes brachten unseren Leiter förmlich in Redeform. In Sterzing zweigten wir in die Brenner-Strasse. Etwas oberhalb von Innsbruck kann man das Kaiser-Jäger-Museum und gleichzeitig in einem postmodernen Gebäude das imposante Schlachtenpanorama der Bergisel-Ereignisse verfolgen.

Zentraler Ausschnitt (mit Andreas Hofer in der Bildmitte) des eindrücklichen Rundbilds im Tirol-Panorama

Das Museum bietet neben dem beeindruckenden Rundblick auch auf die bewegte Geschichte Tirols mit deren Auswirkungen auf Land und Leute. Im integrierten Restaurant speisten wir ausgezeichnet und daher verpasste ich fast die Abfahrt nach der Schweiz! Die erwartete Ankunftszeit auf dem Carplatz Sihlquai in Zürich konnte eingehalten werden. Unsere Reise endete sehr pünktlich!

Ein ganz besonderes Kompliment verdient unsere Fahrerin Frau Jacky Brumann. Eine zügige und angenehme Fahrdisziplin ist nicht selbstverständlich. Ebenso einen grossen Dank an Reiseleiter David Accola. Alle Folien und Referate sind das Resultat akribischer Vorbereitungen. In- und ausserhalb des Fahrzeuges wurden wir mit vielen ausgezeichneten Kommentaren verwöhnt!

Euch allen möchte ich für die feine Kameradschaft danken und hoffe auf ein Wiedersehen bei einer weiteren Exkursion.

Peter Bachmann

Link: Einführungsreferat des Reiseleiters 03-23


 

VIDEO-LINKS ZUR REISENACHBEARBEITUNG HIER KLICKEN

 

Die Reisebilder von Hans-Peter Fähndrich und Peter Bachmann

Abonnieren
Benachrichtige mich bei
0 Kommentare
Inline Feedbacks
View all comments