Das Versagen einer Verteidigungsstrategie

Inhalt aktualisiert am 23.04.2023
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ZUM REISEBERICHT


Reiseleitung: Oberst (a D) Kurt Steinegger

Drei Reisetage (Donnerstag – Samstag)

Neu konzipierte Festungsreise


Thematische Umschreibung


Ein Sprichwort sagt: Wer den Frieden will, muss den Krieg vorbereiten. Während Jahrhunderten war Frankreich bedroht und Schauplatz von Kriegen. Zum Schutz vor Invasoren wurden zahlreiche Festungen gebaut, die noch heute grossartige Zeugen ihrer Epoche sind.

Die Maginotlinie ist das letzte Glied einer Kette mehrerer Versuche Frankreichs, seine Grenzen zu sichern. Wie die meisten konnte sie die hohen Erwartungen der Erbauer nicht erfüllen. Der Deutsche Angriff auf Frankreich von Mai – Juni 1940 wurde für Frankreich und damit auch für die Maginotlinie zur Tragödie.

Der Westwall, von den Westalliierten auch Siegfried-Linie genannt, war ein über 630km langes militärisches Verteidigungssystem entlang der Westgrenze des Deutschen Reiches. Die aus über 18’000 Bunkern, Stollen sowie zahllosen Gräben und Panzersperren bestehende Verteidigungslinie verlief von Kleve an der niederländischen Grenze bis zur Schweizer Grenze. Hitler liess die Anlage, die sowohl einen militärischen als auch einen propagandistischen Wert hatte, ab 1936 planen und zwischen 1938 und 1940 errichten. Beide Festungssysteme konnten die Erwartungen nicht erfüllen. Die Maginotlinie wurde von den Deutschen umgangen und bei Metz durchstossen. Der Westwall
wurde 1945 von den Amerikanern in teilweise heftigen Kämpfen durchbrochen.

Reiseprogramm


Donnerstag

0815 Uhr Abfahrt mit dem Car ab Zürich, Carparkplatz Sihlquai. Fahrt über Basel (Zustiegsmöglichkeit) nach Hunspach. Mittagessen in Form eines Lunchpakets. Weiterfahrt zum Festungswerk Schoenenbourg. Führung und Besichtigung des Werks inkl. der Kampfblöcke im Gelände. Weiterfahrt nach St. Wendel bei Saarbrücken, Zimmerbezug für zwei Nächte. Abendessen im Hotel, Übernachtung**** in St. Wendel.

Freitag

Vortrag zum Thema «Das Versagen einer Verteidigungsstrategie». Danach Fahrt in den Raum Saarbrücken mit Besuch verschiedener Westwallanlagen. Nach dem Mittagessen und der Besichtigung eines Regelbunkers Zeit zur freien Verfügung in der Altstadt von Saarbrücken. Danach Rückfahrt nach St. Wendel ins Hotel. Apéro und Abendessen.

Samstag

Fahrt mit dem Bus zur Festungsanlage Hackenberg, dem grössten Werk der Maginotlinie. Unter kundiger Führung Fahrt mit der Werksbahn durch die kilometerlangen Stollen zu verschiedenen Kampfblöcken und Werkseinrichtungen. Nach der Besichtigung Mittagessen in Budling. Anschliessend Rückfahrt nach Zürich mit Ankunft gegen Abend.

Reisedokumentation


Die umfassende Reisedokumentation ist erwerblich. Interessenten wenden sich zur

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Der Reisebericht von Stefan Gubler


Die dreitägige GMS-Reise 06/2020 zur Maginotlinie und dem Westwall mit Reiseleiter Kurt Steinegger war ursprünglich vom 11. bis 13. Juni 2020 geplant gewesen und musste wegen der Pandemie zweimal zunächst auf den 15. bis 17. Oktober 2020 und dann nochmals auf den 29. bis 31. Juli 2021 verschoben werden. So starteten wir am 29. Juli 2021 vom fast leeren Busbahnhof Sihlquai in Zürich aus Richtung Elsass. In Basel stiegen noch weitere Teilnehmer aus der West- und Nordwestschweiz zu. Dabei blieb leider ein Koffer neben dem Car stehen, was zu zahlreichen Telefongesprächen des betroffenen Teilnehmers mit Funktionären des Bahnhofs Basel SBB führte, damit er den Koffer nach der Reise wieder dort abholen konnte. Im Gegensatz zum vergangenen Jahr mussten im Car keine Gesichtsmasken mehr getragen werden, was die Reise deutlich angenehmer machte.

In seinem Einführungsreferat im Bus führte uns Kurt Steinegger in die wesentlichen Unterschiede zwischen der Maginotlinie auf der französischen Seite und dem Westwall auf der deutschen Seite ein. Der Bau der Maginotlinie begann schon 1930 unter dem damaligen Verteidigungsminister André Maginot – als späterem Namensgeber der Verteidigungslinie – und war bei Kriegsbeginn 1939 weitgehend fertiggestellt. Sie bestand neben hunderten von Infanteriebunkern und -unterständen auch aus 58 grossen Kampfwerken mit jeweils mehreren Kampfblöcken, welche mit langen und tief gelegenen Stollen mit den Eingangsblöcken von Mannschaft und Munition verbunden waren. Der Bau des Westwalls begann hingegen erst 1936 und umfasste auch tausende von Bunkern in verschiedenen Typen von Regelbauten. Die zusätzlich geplanten grösseren Kampfwerke waren jedoch bei Kriegsbeginn noch im Bau und wurden nach dem im Juni 1940 gewonnenen Westfeldzug auch nicht mehr fertiggestellt.

Am ersten Tag besuchten wir nach einem Picknick vor dem Eingang das Artilleriewerk von Schoenenbourg. Es umfasst 6 Kampfblöcke sowie je einen Eingangsblock für die Mannschaft und die Munition. Beeindruckend waren die rund 30 Meter tief gelegenen und insgesamt rund 3 km langen Verbindungsgänge, während die Bewaffnung der 6 Kampfblöcke mit nur 2 Panzertürmen mit 7.5 cm Kanonen, einem 8.1 cm Minenwerfer-Turm und einigen Maschinengewehren im Verhältnis dazu eher bescheiden war. Bei der Besichtigung mussten Gesichtsmasken getragen werden, was in Kombinationen mit den kühlen Temperaturen im Werk zu permanent beschlagenen Brillen führte. Zum Abschluss besichtigten wir die Kampfblöcke von aussen auf der Abdeckung des Werkes, welche heute als Schafweide genutzt wird und kaum erahnen lässt, wie sie während des Krieges mit Stacheldrahthindernissen und tiefen Kratern von den 1’020 kg schweren 42 cm Antibetongranaten aus einem Skoda-Mörser ausgesehen hat. Schoenenbourg war eine der meist umkämpften Anlagen und hielt bis zu Verkündigung der Kapitulation Frankreichs am 25. Juni 1940, worauf die Festungstruppen die Anlage räumen und den Deutschen übergeben mussten.

Danach wechselten wir auf die deutsche Seite der Grenze und bezogen die Hotelzimmer für zwei Nächte in einem abgelegenen aber komfortablen Golfhotel bei St. Wendel im Saarland. Vor dem Erhalt der Zimmerschlüssel musste aber jeder Reiseteilnehmer sein Corona-Zertifikat an der Rezeption des Hotels überprüfen lassen.

Der zweite Reisetag stand im Zeichen des Westwalls auf der deutschen Seite. Zur Einführung referierte der Reiseleiter mit zahlreichen Folien und Filmausschnitten über den Bau des Westwalls. Daraufhin besuchten wir einen Spitzbunker in Neunkirchen. Der „bombensichere Luftschutzturm Bauart Winkel“ schützte rund 400 Mitarbeitende des Neunkircher Eisenwerks AG vor Bombenangriffen auf die Rüstungsindustrie. Durch die 23 Meter hohe und spitze Form sollte erreicht werden, dass Bomben ihn nicht durchschlagen können, sondern seitlich abprallen. Eine enge Wendeltreppe verbindet die 8 Stockwerke, welche wir mit Gesichtsmasken ersteigen durften.

Nach dem Mittagessen in Pirmasens besuchten wir das unvollendete grosse Festungswerk Gerstfeldhöhe in Niedersimten bei Pirmasens. Wir konnten das etwa zur Hälfte und erst im Rohbau gebaute untere Stockwerk mit Kaserne und Verladestollen besichtigen, während der Aufstieg zum oberen Stock und die insgesamt 4.5 km vorgetriebenen Verbindungsgänge zu den Kampfblöcken nach dem Kriegsende gesprengt wurden. In den leeren Stollen war jedoch eine eindrückliche Sammlung von vor allem deutschem Kriegsmaterial und -fahrzeugen zu besichtigen. Mit uniformierten Puppen wurden auch verschiedene Kriegsszenen wirklichkeitsnah nachgestellt. Am späteren Nachmittag fuhren wir wieder zurück nach St. Wendel ins Golfhotel zum Abendessen und Übernachten. Vor dem Abendessen folgte aber noch ein weiteres Referat mit dem Titel „Das Versagen einer Verteidigungsstrategie“ über die Maginotlinie, welche wieder als Programm des nächsten Tages angekündigt war.

So fuhren wir am dritten und letzten Reisetag wiederum auf die französische Seite und besichtigen dort das Artilleriewerk Hackenberg. Im Unterschied zu Schoenenbourg umfasste es sogar 17 Kampfblöcke, eine Besatzung von 1’035 Mann und eine noch in Betrieb stehende Stollenbahn, mit welcher wir vom Kasernen- und Munitionsmagazinbereich zum westlichen Teil der rund einen Kilometer entfernten Kampfblöcken hin- und wieder zurückfuhren. Dort konnten wir einen Kampfblock direkt durch einen Notausgang verlassen und so die durch Beschuss stark beschädigten Kampfblöcke auch von aussen besichtigen. Zudem war im Kasernenbereich eine reichhaltige Ausstellung mit zahlreichen uniformierten Puppen und Waffensammlungen der verschiedenen Kriegsparteien zu bestaunen.

Die weitgehend vollendete Maginotlinie hielt die in sie gesetzten Verteidigungserwartungen, obwohl bzw. weshalb sie von der Deutschen Wehrmacht nördlich umgangen wurde und im Zeitpunkt der Kapitulation noch nicht gefallen war. Nach dem Krieg wurden sie noch einige Jahrzehnte weitergenutzt. Anschliessend konnten in verschiedenen gut erhaltenen grösseren und kleineren Anlagen Museen eingerichtet werden, sodass die eindrücklichen Anlagen auch heute noch gut ausgerüstet besichtigt werden können. Der Westwall hingegen war bei Kriegsbeginn noch nicht fertiggestellt und diente 1939 während dem Polenfeldzug als Rückendeckung vor einer zweiten Kriegsfront gegenüber Frankreich. Bei der Eroberung Deutschlands durch die Alliierten 1944 konnten die kleinen Regelbunker des Westwalls mit wenig Tiefe nur kurzen Widerstand bieten, weil der Westwall immer noch nicht vollendet war, nicht mit homogenen und gut ausgebildeten Truppen besetzt war und die Waffen veraltet oder gar abgezogen waren. Auf der Verliererseite wurden die meisten Anlagen des Westwalls nach Kriegsende zerstört, sodass heute nur noch wenige erhalten sind und es darin nur vereinzelte kleinere Museen gibt.

Nach der ausführlichen Besichtigung des Festungswerks Hackenberges assen wir in Budling ein typisch französisches Mittagessen und fuhren anschliessend in einer 5stündigen Carfahrt über die Vogesen zurück nach Basel, wo uns einige Reisekameraden verliessen, und weiter zum Busbahnhof Sihlquai in Zürich. Wir dankten Kurt Steinegger für die Durchführung dieser eindrücklichen Reise zu den beiden grossen Verteidigungslinien der Westfront im zweiten Weltkrieg, welche er trotz der Erschwernisse durch die Pandemie mit uns durchführte. Durch seine reichhaltig illustrierten und pointiert vorgetragenen Referate kombiniert mit den interessanten Besichtigungen konnte er uns diese beiden riesigen Verteidigungsbauwerke wesentlich näherbringen.

Stefan Gublers Bilderauswahl

07-20|Maginot-Schönbourg

06-20|Maginot-Hackenberg

06-20|Maginot-Gerstfeldhöhe