Von Vaubau bis Maginot – der stetige Kampf um Elsass-Lothringen

Inhalt aktualisiert am 27.01.2024
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ZUM REISEBERICHT VON KARL ZOPFI


Reiseleitung: Dominique Juilland, Bolligen

Drei Reisetage

Neue Reise


Thematische Umschreibung


Elsass – Lothringen ist wohl eines der Gebiete in Europa, um das in der modernen Geschichte am meisten gestritten und gekämpft wurde und das so oft den Besitzer wechselte.

Die Wurzel des Übels liegt wahrscheinlich in der Teilung von Verdun 843, als das fränkische Reich unter den drei Söhnen Ludwigs des Frommen aufgeteilt wurde und der Älteste Lothar das schmale Mittelreich erhielt, das durch die Jahrhunderte hindurch immer mehr durch die aufstrebenden Grossmächte Frankreich im Westen und das Römische Reich Deutscher Nation im Osten bedrängt wurde.

Für beide Grossmächte ging es strategisch einerseits um die Eroberung eines Glacis vor dem Kernland und anderseits um die Inbesitznahme der dort vorhandenen Ressourcen, allen voran Kohle und Stahl in Lothringen und Saarland.

Der Streit eskalierte vor allem unter dem französischen Sonnenkönig Louis XIV, der Vauban beauftragte, die aus seiner Sicht natürliche Ostgrenze Frankreichs am Rhein zu befestigen.

Während den drei letzten grossen Kriegen des XIX. und XX. Jahrhundert waren Elsass und Lothringen Schauplatz zahlreicher Schlachten.

Die Begehung der berühmtesten Schlachtfelder wurde von der GMS schon mehrmals angeboten. Bei dieser Reise geht es darum, weniger bekannte militärische Orte zu erkunden.  Es geht im Besonderen um

  • Festungen Vaubans und Feldzüge Ludwig XIV. im 17 Jh
  • Schlachten im Elsass im August 1870 zu Beginn des Deutsch -französischer Krieges 1870/71:
  • Befestigung der Grenze nach 1870 durch Séré de Rivières
  • Die Bataille de Morhange im August 1914 während der Schlacht um Lothringen 1914
  • Die Kämpfe um die Maginot-Linie 1940
  • Die Rückeroberung des Elsass durch die 1er Armée Française und 2e DB 1944

Diese militärischen Themen werden ergänzt durch Besuche von Museen zu Stahl- und Kohlenindustrie im Saarland und Lothringen, durch Besuche bei der französischen Armee und Kulturelles und Kulinarisches aus Elsass – Lothringen.

Reiseprogramm


Mittwoch, 30. August – erster Reisetag

Auf der Car-Fahrt ab Zürich via Basel (Zustiegsmöglichkeit) nach Saarbrücken besuchen wir am Vormittag die Feste Mutzig, die flächenmässig grösste geschlossene Festungsanlage des Festungsgürtels zum Schutz von Strassburg. Nach dem Mittagessen geht die Fahrt nach Rohrbach-lès-Bitche, wo der Besuch des kleinen Fort Casso (Ligne Maginot) erfolgt. Am frühen Abend erreichen wir Saarbrücken. Zimmerbezug (zwei Nächte), fakultatives Abendessen.

Batterie am Fort Mutzig

Donnerstag, 31. August – zweiter Reisetag

Nach dem Frühstück sieht das Programm den Besuch der Völkinger Hütte (Weltkulturerbe; einzig ganz erhaltenes Eisenwerk) vor, welchem nach der Fahrt nach Sarrelouis der Besuch der dortigen Vauban-Festung folgt. Nach dem Mittagessen werden wir nach Morhange (mit Zwischenhalt auf dem amerikanischen Soldatenfriedhof St.Avold) fahren und uns dem Feld des ersten Gefechts des Ersten Welkriegs zuwenden. Die Rundreise durch das Plateau lorrain endet mit der Fahrt durch die Trouée de la Sarre bei der Ligne Maginot Acquatique. Nachtessen und Übernachtung in Saarbrücken.

Freitag, 1. September – letzter Reisetag

Frühstück und check-out im Hotel. Fahrt nach Woerth mit einem kurzen Zwischenhalt in Bitche und seiner Vauban-Zitadelle. Bei Woerth Begehung des Schlachtfeldes und des Museums der Bataille du 6 Août 1870. Mittagessen in Woerth. Am Nachmittag Fahrt in den Raum Colmar wo wir in Günsbach das Albert Schweizer Museum besuchen und die Reise in der Kirche mit der Vorführung der historischen Albert Schweitzer Orgel rekapitulieren. Rückfahrt via Basel nach Zürich.

Zitadelle von Bitsche

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Der Reisebericht von Karl Zopfi


Erster Reisetag

Pünktlich um 8 Uhr fuhren wir am 30. September in Zürich weg; in Basel stiegen noch die zusätzlichen Teilnehmer dazu. Schon bald wurde die Landschaft offener und weiter, wir waren im Elsass angekommen. Im Angesicht der Haute Koenigsburg genossen wir den Kaffeehalt. Dann fuhren wir weiter nach Mutzig zur Feste Kaiser Wilhelm II. Sie wurde von den Deutschen erbaut, ist aber seit dem Ende des Ersten Weltkriegs Französisch. Eine kompetente Führerin leitete uns durch diese imposante, einst modernste Festung Europas. Sie wurde schon damals zum grössten Teil aus Beton erbaut, nicht mehr aus Ziegelsteinen wie die Festungswerke von Vauban und Séré de Rivières. Damit trug man den Melinit- Geschossen Rechnung, die eine grössere Zerstörungswirkung erreichten. Es war das erste Werk mit einer eigenen Stromzentrale. Etwa 20% der Feste sind offen für die Besichtigung, der Rest wird von der französischen Armee genutzt. In Erinnerung bleiben uns die langen, trockenen Gänge, zum Teil die sehr modernen Einrichtungen wie elektrisches Licht, Lüftung, eine grosse Küche. Eher knapp bemessen waren die Krankenstation, Schlafräume und die Toilettenanlage. Zum Schluss hatten wir einen ausgezeichneten Überblick über die Feste und ihre Hauptaufgabe: Rundumschutz gegen französische Einfälle von Westen her, vor allem aus dem Tal der Bruche. Zudem Sperre bis zum Rhein bei Strassburg, obwohl dieses Werk nicht zum Festungsring von Strassburg gehörte.

Nach dem feinen Mittagessen mit einem elsässischen Menü reisten wir über das Plateau Lorraine. Im Zweiten Weltkrieg wurde dieser Teil Frankreichs nach Intervention von General De Gaulle von der 1re Armé Française unter General Lattre de Tassigny befreit.

Gegen 16 Uhr erreichten wir Rohrbach-les-Bitches. Wir besichtigten das kleine Zwischenwerk Fort Casso der Maginot Linie. Der dortige Führer vergoss sichtlich Herzblut beim Vorstellen der Anlage. Es war eine Freude, ihm im typischen Gemisch französisch- deutsch zuzuhören. Er zeigte uns „seine“ Maginotlinie mit Kasematte und Bewaffnung, enge Räume und tiefe Treppen mit 146 Stufen bis 30 m unter Grund. Wir marschierten durch lange Gänge, besichtigten viele Räume, die für das Funktionieren nötig sind: Wasserreservoir, Dieseltank, Küche, Schlaf- und Maschinenräume und vieles mehr. Bei einer solchen Führung kann man schnell die Zeit vergessen.
Anschliessend fuhren wir nach Saarbrücken ins Hotel und genossen den freien Abend individuell.

Zweiter Tag: Saarbrücken

Nach dem sehr reichhaltigen Frühstückbuffet versammelten wir uns zu einem kleinen Stadtrundgang. Da Saarbrücken wegen seiner Industrie im Krieg stark zerstört wurde, ist nicht mehr viel Altstadt vorhanden. Wir betrachteten den schönen St. Johann Marktplatz, überquerten die Saar, betrachteten die schöne Ludwigs-Barockkirche und kehrten zum Hotel zurück. Bald waren wir wieder unterwegs zum Weltkulturerbe Völkinger Hütte nahe Saarbrücken. Das ist ein stillgelegtes Stahlwerk (1986), das 1873 gegründet wurde und jetzt ein total erhaltenes Schauwerk ist.

Unter kompetenter Führung erkundeten wir dieses Werk. Alles ist in grossen Dimensionen vorhanden: die Turbinen, die Schmelztürme und die riesigen Rohre. In diesem Werk arbeiteten während des Zweiten Weltkriegs etwa 12’000 Zwangsarbeiter. Mit einem Erinnerungsort nach der Gebläsehalle wurde das Thema eindrücklich dargestellt. Von der Gebläsehalle wanderten wir zur Sinteranlage und weiter zur Kockerei. Dort fassten die Rüstigeren einen Helm und stiegen zur Hochofen Plattform empor in luftige Höhe, ca. 40m hoch. Von hier wurden die Hochöfen bestückt, in denen eine Temperatur bis zu 2000 Grad herrschte. Wir genossen den Ausblick auf Abraumberge, rostige Fabrikteile und Rohre, Schrägaufzug und vieles mehr. Die Arbeit am Hochofen war streng, gefährlich und sehr witterungsabhängig. Diese stillgelegte Hütte hat uns beeindruckt, solche Dimensionen findet man bei uns nicht. Wenn wir nur schon die genieteten Rohre betrachten, alle von Hand genietet, eventuell hat es mehr Nieten als am Eifelturm! Nicht vergessen, dass hier 18’000 Menschen Arbeit fanden. Am Schluss verabschiedeten wir uns von unserm Führer, der wirklich über alles kompetent Auskunft geben konnte, gewürzt mit vielen Geschichten und Anekdoten.

Nach dem Mittagessen besichtigten wir den Rest der noch vorhandenen Vauban Festung in Saarlouis. Auch diese wurde im Krieg stark zerstört, es ist nur noch ein kleiner, sehenswerter Teil vorhanden. Saarlouis teilte das typische Schicksal der Grenzregionen, es wechselte mehrmals Land und Sprache: Saarlouis, Saarlibre, Saarlouis, Saarlautern. Finde selber heraus, was zu welcher Epoche gehört.

Unsere nächste Station war der amerikanische Soldatenfriedhof von Saint-Avold. In dieser riesigen Parkanlage ruhen 10’000 Amerikanische Soldaten aus dem Zweiten Weltkrieg. Ein Gefühl von Beklemmung und Ehrfurcht befiel uns, als wir an die vielen Einzelschicksale dachten.

Nach dieser besinnlichen Besichtigung fuhren wir nach Morhange. In diesem relativ flachen Gelände fand eine der ersten Schlachten des Ersten Weltkrieges statt. Vier Armeen prallten aufeinander und bekämpften sich in einer blutigen Schlacht. Beide Seiten hatten hohe Verluste: Frankreich 5’000 Soldaten, Deutschland 2’000, nicht gerechnet die Verwundeten und Verschollenen. Beklemmendes Detail: Auf dem Friedhof im freien Feld ist auch der Sohn des kommandierenden Generals Xavier de Castelnau begraben. Operativ war diese Schlacht eine Niederlage für das französische Oberkommando, la Ligne Bleu, die Rückeroberung des Voges, wurde nicht erreicht. Strategisch gesehen hat diese Schlacht wesentlich zum Erfolg de la Bataille de la Marne und damit zum Scheitern des Schlieffen-Planes beigetragen. Die Deutschen Armeen waren in den Vogesen gebunden und standen an der Marne nicht zur Verfügung.

Auf dem Heimweg durchquerten wir la Ligne Maginot aquatique. Mit Hilfe verschiedener Einrichtungen wurde es möglich, eine Lücke in der Maginot Linie zu fluten und damit das fehlende Stück zu schliessen. Um ca. 19 Uhr erreichten wir unser Hotel.

Dritter Reisetag: Bitche, Wörth, Gunsbach

Bereits um 8 Uhr fuhren wir los nach nach Bitche. Dieses Städchen in den Vogesen liegt an einer wichtigen Einfallsachse und in Grenznähe. Zusätzlich liegt Bitche in einer grossen Mulde mit einem befestigten Hügel. Oben thront das mächtige Fort. Es wurde unter Ludwig XIV. von seinem Hofbaumeister Vauban erbaut, später aber stark umgebaut. Es ist eine typische Festung die der Topographie angepasst ist: „Le terrain commande, le feu tue!“ Bei der Weiterfahrt durch die Nordvogesen auf engen Strassen, flankiert von bewaldeten Höhen, war es für uns gut vorstellbar, dass die Festung in Bitche diese Achse sperren konnte.

Bald waren wir in Wörth. Auf dem Weg zum Ehrenmal auf dem Schlachtfeld fielen uns diverse Stelen auf. Sie waren zur Erinnerung an die Schlacht von Reichshofen errichtet worden, vorwiegend von den damals kämpfenden Einheiten. Beim Denkmal erwartete uns ein Führer und ein Reporter, der ein Gruppenfoto für das lokale Feuille d’avis machte. Der Führer erklärte uns anschaulich den Verlauf der Kampfhandlungen. Es war ein Aufeinandertreffen von etwa 50’000 Franzosen auf 80’000 Deutsche. Ein Bewegungsgefecht mit ideenlosen, verlustreichen Frontalangriffen und Gegenangriffen. Am Schluss siegte die grössere Masse an Kämpfern und an Feuerkraft mit der besseren Artillerie. Es muss fürchterlich ausgesehen haben am Abend dieses 6. August 1870: Fazit etwa 20’000 tote Soldaten, viele Verwundete, viele tote Pferde, zerstörte Häuser!

Diese Niederlage bei Wörth leitete das militärische Debakel der französischen Armee ein mit dem Untergang des Kaiserreichs Napoleons III. Mit dem Beginn des Regens verschoben wir uns zum kleinen, aber sehr anschaulichen Museum der Schlacht von Wörth. Eine reiche Sammlung von Uniformen, Waffen, Bildern und einem grossen Diorama sind anschaulich ausgestellt. Wir verabschiedeten uns von unserem Führer, genossen ein ausgezeichnetes Mittagessen und feierten zuvor den Geburtstag von Walter von Känel im Rahmen eines Apéro.

Um 13.45 fuhren wir weiter zur letzten Station unserer Reise nach Gunsbach, das westlich von Colmar, in einem Seitental der Vogesen liegt. Die Strasse führt weiter zum Col de la Schlucht. In Gunsbach ist das bedeutende Albert Schweitzer Museum. Albert Schweitzer ist der typische Grenzbewohner des Reiches Lothars, auch er wurde Opfer der vielen Wechsel: Geboren in Deutschland, im Herzen ein Franzose, nach dem Ersten Weltkrieg Franzose, im Zweiten Weltkrieg deutsche Besatzung. Im Museum sind die verschiedenen Stationen seines Lebens dargestellt, mit Bildern, persönlichen Gegenständen, Büchern, Videos. Geboren 1875 studierte er nach dem Abitur Theologie und Philosophie, anschliessend Orgelstudium im Elsass und in Paris. Dazu schrieb er eine Bach Monografie, die heute noch ein Standard-Werk ist. 1905 begann er das Medizinstudium in Strassburg, welches bis 1912 dauerte. Dann gründete er ein Spital in Lambarene im heutigen Gabon, das er bis zu seinem Tod 1965 leitete, unterbrochen von Konzerttouren in Europa, um Geld für sein Spital zu sammeln.

Dann begaben wir uns zur Kirche, wo uns eine grosse Überraschung erwartete.

Unser geschätzte, kompetente Reiseleiter Dominique Juilland gab uns an der Kernorgel eine Einführung in die Orgelmusik. Zuerst hörten wir eine Klangpalette verschiedener Prinzipale, dann spielte er uns Flöte, Fagott und Trompete. Zur Abrundung hörten wir eine Einführung in die Bachschen Klangfarben wie Freude, Trauer, Glaubensstärke. Zum Schluss hörten wir drei Kompositionen aus dem Orgelbüchlein von J S Bach. Wow, grand merci zum musikalischen Schluss!

Es folgte die Rückkehr nach Basel, es blieb uns Zeit, um Abschied zu nehmen und Danke zu sagen. Hans Bollman dankte Dominique für seine Arbeit. Erstens für die ausgezeichnete Dokumentation, mit der wir bestens informiert die Reise antreten konnten. Zweitens für die anregenden Erklärungen zu den sehr interessanten Themen: Mutzig, Rohrbach, Ligne Maginot, Vauban und vieles mehr. Nach Meinung von Hans hat unser Reiseleiter ein triple-A verdient! Dieser Meinung schlossen sich die Teilnehmer mit grossem Applaus an. Auch dem Chauffeur dankten wir für seinen unermüdlichen Einsatz. Es war nicht selbstverständlich, dass Martin Burdinski uns persönlich chauffierte, herzlichen Dank.

Rasch sind wir in Basel, wo uns wieder einige Teilnehmer verlassen. Ohne Probleme bewältigten wir zügig die Strecke nach Zürich, wo wir pünktlich eintrafen. Herzlich verabschiedeten wir uns nach drei tollen Tagen.

Wir freuen uns schon auf das nächste Programm der GMS.

 

 

 

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