Der Alpenfeldzug des russischen Feldmarschalls im Herbst 1799

Inhalt aktualisiert am 25.07.2023
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ZUM REISEBERICHT


Reiseleitung: Div (a D) Dominique Juilland

Drei Reisetage

Neue Reise


Thematische Umschreibung


Der Alpenfeldzug Suworows gilt als Musterbeispiel der Gebirgskriegsführung einerseits – und der umsichtigen Führung eines heute legendären Feldmarschalls. Wir folgen seinen Spuren, ohne uns den damaligen Strapazen in gleicher Form hinzugeben.

Reiseprogramm


Erster Reisetag

Wir treffen uns um ca 1000 im Bahnhof Lugano. Nach kurzer Fahrt in die Hügel nördlich von Lugano werden bei Kaffee und Gipfeli die herausragende Persönlichkeit des Feldherrn Suworow präsentiert und der strategische Gesamtrahmen der Herbstkampagne durch die Alpen 1799 skizziert.

Fahrt auf der alten Ceneri-Strasse nach Bellinzona. Zwischenhalt auf dem Dosso di Taverne wo sich die Armee Suworows versammelt hat, um den Feldzug durch die Schweiz zu organisieren.

Nach dem Mittagessen in einem typischen Tessiner Grotto Weiterfahrt durch die Leventina Richtung Faido und Airolo mit Zwischenhalt in Rodi für einen kurzen Marsch durch das Piottino auf dem renovierten historischen Gotthardweg.

In Airolo und im Aufstieg zum Gotthard Studium der Gefechte der Russen gegen die in der Tremola verschanzten Franzosen.

Am späten Nachmittag Bezug der Hotelzimmer**** in Andermatt und anschliessendes Nachtessen im gleichen Hotel.

Zweiter Reisetag

Am Morgen Fahrt auf den Oberalpass und Studium der Gefechte des Korps Rosenberg gegen die Franzosen. Danach Rückfahrt nach Andermatt und Teilnahme an der jährlichen Erinnerungsfeier beim nahen Suworowdenkmal in der Schöllenenschlucht. Anschliessend Fahrt nach Muotathal mit Zwischenhalt am Vierwaldstädtersee für das Mittagessen.

Am Nachmittag Studium im Gelände der Abwehrschlacht der Russen im Muothalal und Besuch des Klosters Muotathal, wo Suworow übernachtet hat. Kurzer Abstecher ins Bisisthal am Nordhang des Kinzig-Passes.

Weiterfahrt nach Glarus. Ausführungen zu den Gegebenheiten am Pragel und im Klöntal. Am späten Nachmittag Zimmerbezug in Glarus und Nachtessen im gleichen Hotel.

Dritter Reisetag

Am Morgen Fahrt nach Netstal und Studium der Schlacht im Raum Netstal zum Ausbruch in die Linthebene mit anschliessendem Besuch des Museums des Landes Glarus in Näfels. Danach Fahrt auf der Rückmarschroute der Russen bis Wichlenalp mit Halt beim Suworowhaus in Elm. Mittagessen in Elm.

Reiseabschluss

Schönwettervariante: Flug mit dem Helikopter ab Elm über den Panixerpass nach Tavanasa, Rückfahrt mit Car via Chur und die St. Luzisteig nach Zürich.

Schlechtwettervariante: Fahrt nach Luzern.
Besuch im Gletschergarten des Geländemodells Schlacht im Muotathal.
Rückfahrt nach Zürich. Gleiche Ankunftszeit wie Schönwetterprogramm.

[Reisedokumentation]

Der Reisebericht von Victor von Graffenried


Erster Exkursionstag

Am Freitagvormittag trifft sich unsere Reisegruppe mit 20 Teilnehmern am Bahnhof Lugano. Unter der Leitung von Dominique Juilland starten zwei Minibusse Richtung Norden in die Hügel vor Lugano, um dem Marsch der russischen Armee unter ihrem Generalissimus Feldmarschall Suworow im September 1799 vor genau 223 Jahren über den Gotthard in die Zentralschweiz zu folgen.

Als kleine Überraschung führt uns Dominique Juilland zuerst in die Pfarrkirche von Ponte Capriasca mit der Darstellung des Abendmals, einer vorzügliche Kopie des berühmten gleichnamigen Gemäldes des Leonardo da Vinci in Mailand. Anschliessend werden wir vom Reiseleiter bei Kaffee und Gipfeli im Hotel Vezia in den Gesamtrahmen des Feldzuges von Suworow eingeführt. Wir erfahren hier und während der ganzen Reise von der taktischen Überlegenheit des von Suworow geführten russischen Heeres in den Kämpfen der sich immer wieder dem Ansturm entgegenstellenden französischen Sperreinheiten. Letzten Endes wird der Feldzug sein strategisches Ziel nicht erreichen und scheitern. Wegen Zeitdruck und fehlendem Transport (Maultiere!) kommen logistisch grosse Probleme auf die Russen zu, da sie nur minimale Verpflegung und wahrscheinlich auch nur wenig Munition auf sich tragen. Der Haupttross bleibt in Taverne zurück.

Die Weiterreise führt uns durch Taverne, wo die Armee Suworows sich damals versammelt hatte und auf der alten Strasse über den Monte Ceneri runter in die Magadinoebene nach Quartino, zum Mittagessen ins sympathische Grotto La Strega zu Brasato und Polenta. Auf der Fahrt durch die Leventina legen wir ein kurzes Stück zu Fuss zurück auf der restaurierten alten Pflasterstrasse durch das Piottino. In der malerischen Schlucht rauscht unten der Ticino und wir erhalten einen Eindruck von der alten Gotthardroute mit Postkutsche und Maultieren.

Der alte Weg durch die Gola di Monte Piottino

In Airolo und im Aufstieg auf der alten Strasse in der Tremola im Schein der Abendsonne erklärt uns Dominique Juilland, wie die Infanteriekämpfe am Berg stattgefunden haben. Immer wieder finden Umgehungsbewegungen der verbündeten Russen und Österreicher über die scheinbar unüberwindbar wirkenden Höhen und Kreten statt. Man darf sich die bunt uniformierten Musketiere und die Grenadiere mit der zipfelmützenartigen Kopfbedeckung und funkelndem Messingschild vorstellen, wie sie, eher schlecht beschuht, im strömenden Regen bergan vorrücken und anstürmen. Die Franzosen weichen zurück und erstellen erneut weiter oben einfache Infanteriesperren. Artilleristisch muss man sich auf beiden Seiten den Einsatz von kleinen Zweipfünder Geschützen vorstellen, wie sie im Gebirgskrieg zweckmässig waren.

Auf dem Gotthardpass angekommen, besuchen wir das Museum mit einer interessanten kurzen Informationsshow über die Passgeschichte. In Andermatt beziehen wir im komfortablen Alpenhotel Schlüssel unsere Unterkunft und nehmen ein gemütliches Nachtessen im Restaurant «Sternen» ein, wo die Reisegruppe gesellig den Abend verbringt.

Der zweite Exkursionstag …

.. war dem Besuch der verschiedenen Schauplätze in und um den nördlichen Gotthardweg und dann im Muotathal gewidmet. Um einem Zusammentreffen mit möglichen Russischen Offiziellen und unserer Gruppe auszuweichen – im Hinblick auf den russischen Krieg in der Ukraine und deren politischen Verwerfungen – besuchen wir sofort die Schöllenen mit dem russischen Denkmal von 1899. Wir haben Glück und können uns praktisch allein in der Umgebung der Teufelsbrücke und dem Urnerloch umsehen. Wir erfahren, wie die russischen Kräfte die französischen Sperren umgingen, indem sie links der Reuss über den Bäzberg oder rechts über Gütsch und Teufelsberg hinunter vorrückten. So wurden die Franzosen immer weiter zurückgetrieben und verteidigten hartnäckig die teilweise zerstörte Teufelsbrücke. Russische Pioniere hatten Bretter mitgebracht und es entstand die berühmte Szene des Kampfes um die Brücke, die alle Reiseteilnehmer kennen. Das berühmte Gemälde (GMS Beitragsbild) ist in Kopie dargestellt auf der Wand des kleinen Restaurantgebäudes am «Franzosenplatz», bevor man auf die Plattform mit dem mächtigen russischen Ehrenmal in Form eines von Norden sichtbaren Kreuzes tritt.

Garstiges Wetter anlässlich des Gruppenbildes in der Schöllenen

Nach Aufnahme eines Gruppenbildes verschieben wir sehr schnell zurück nach Andermatt und hinauf zum Oberalppass. Bei der Passfahrt eröffnet sich uns ein imposanter Blick auf den Talkessel von Urseren und die umliegenden Berge, u.a. dem Nätschen, der auch wieder Schauplatz eines russischen Umgehungsmanövers war. Im Referat von Dominique Juilland erfahren wir vom Umgehungsmanöver des Korps Rosenberg, das aus dem Tessin via Lukmanierpass und Disentis hier über den Oberalp hinuntergestossen ist und dann im Kampf um die Schöllenen die Vorhut bildete. Wir geniessen kurz die Stimmung auf dem windigen Oberalppass und fahren hinunter zum nächsten Termin in Altdorf, wo wir vom Besitzer des Suworowmuseums, Herr Gähler, erwartet werden.

Nach einer kurzen Einführung machen wir im kleinen aber mit einer interessanten Sammlung ausgestatteten Museum den Rundgang. Der Inhaber hat alles Mögliche um den Feldzug und die Person des Feldmarschalls zusammengetragen. Interessant sind vor allem ausgegrabene Kanonenkugeln und Lanzenspitzen, deren besondere Kantenform eindeutig auf die Spiesse der Kosaken von 1799 hinweisen. Anschliessend erwartet uns das Mittagessen im Restaurant Eden in Sisikon und dann geht es ins Muotathal.

Der Reiseleiter in seinem Element

Im Muotathal fanden 1799 am 30. September und 1. Oktober zwei Gefechte statt mit je etwa 10’000 Soldaten auf jeder Seite. Das Gelände des Talbodens ist offen und erlaubt die offene Feldschlacht. Beide mal werden die französischen Angriffe auf die vom Chinzigpass herabstossenden Russen, zuerst die Vorhut unter Rosenberg, abgewiesen. Wir passieren die Stelle bei Rambach, wo die Franzosen von den seitlich vorgehenden Russen in der Flanke angegriffen wurden. Dominique Juilland führt uns später zur Steinernen Brücke, wo viele fliehende Franzosen bei der Flucht über die Muota abstürzten. Zwischenzeitlich besuchen wir das Kloster St. Josef, wo damals Suworow übernachtete und viele Verletzte betreut wurden.

Um 1500 Uhr werden wir von der Frau Mutter (Oberin) Sr. Scholastica in der guten Stube des Klosters freundlich empfangen. Während einer Stunde erfahren wir Interessantes zur Geschichte des Kosters, das von Minoritinnen (Orden des hl. Franziskus) geführt wird und deren Spiritualität. Wir dürfen das Zimmer besuchen, wo Suworow übernachtet hat und werfen einen Blick in den Klostergarten.

Das Suworow-Zimmer im Frauenkloster St. Josef in Muotathal

Da trotz taktischem Sieg den Russen kein Erfolg beschieden ist, aus dem Muotathal nach Schwyz vorzustossen, beschliesst der Kriegsrat von Suworow den Umweg über den Pragelpass hinüber nach Glarus, wo er die Österreicher unter Linken vermutet. Wir hingegen fahren mit dem grossen Bus, der für den Pragel nicht zugelassen ist, den Umweg über Norden nach Glarus, wo wir im stattlichen Hotel Glarnerhof ein feines Nachtessen einnehmen und übernachten.

Letzter Exkursionstag

Wieder mit zwei Minibussen ausgerüstet fahren wir nach einer erholsamen Nacht und einem kräftigen Frühstück von Glarus ins landschaftlich äusserst reizvolle Klöntal mit seinem langestreckten See, der die Berglandschaft spiegelt. Am malerischen Seeufer schildert uns Dominique Juilland, wie die Truppen Suworows vom Pragel her beidseits des Klöntalersees herunterstiessen und in dauernden Gefechten die Franzosen vor sich hertrieben, welche ihrerseits zu sperren versuchten. Weitere Kämpfe folgten im Linthtal. Nach der Ankunft in Glarus verblieb Suworow einige Tage dort und hielt Kriegsrat ab. Die Verbündeten Österreicher unter Linken und Jelacic waren nicht erschienen. Hinzu kam das Scheitern des ganzen Angriffsplanes nach der verlorenen zweiten Schlacht bei Zürich. Unser Reisleiter weist auf die verschiedenen Gründe hin, die Suworow schliesslich bewogen, nach Elm und über den Panixerpass ins Rheintal auszuweichen. Das russische Heer drohte tatsächlich von Westen und Norden eingeschlossen zu werden und im Gefolge des Feldmarschalls befand sich noch der Grossfürst Konstantin. So war es besser der drohenden Einkesselung zu entgehen.

Wir fahren nach Näfels zurück und besichtigen den prächtigen Palast von Kaspar Freuler, einem erfolgreichen Söldnerführer in Frankreich des 17. Jahrhunderts, der sich der Gunst des französischen Königshauses erfreute, nachdem er den jungen König Louis XIV. vor der Fronde 1648 beschützt hatte.

Weiterfahrt nach Elm, wo Suworow am 05.09.1799 eintraf, bevor er dann den beschwerlichen Weg durch das Sernftal über den damals schon verschneiten Panixerpass (2404 m ü.M.) antrat. Das Mittagessen nehmen wir im Restaurant «Sternen» von Elm ein.

Eines von vielen Suworow-Häusern entlang der Strecke des Feldzugs – hier jenes in Elm.

Die Reiseleitung kann alles perfekt machen, aber das Wetter machen andere. So kann der uns in Aussicht gestellte Helikopterflug über den Panixerpass nach Tavanasa wegen einer Regenfront leider nicht stattfinden. Wir nehmen es mit Fassung und fahren nach einem Halt beim Suworowhaus zurück via Linthal und Urnerboden über den Klausenpass in die Innerschweiz, wo als Schlusspunkt der Besuch des Geländemodells der Schlacht im Muotathal, Teil des Museums im Gletschergarten Luzern, besucht werden kann. Der während der Fahrt durch den Urnerboden, der grössten Alp der Schweiz, prasselnde Regen und aufkommende Nebel vermittelt uns noch einmal einen realen Eindruck über die Wetterverhältnisse, wie sie vor 223 Jahren Suworow begleitet haben.

Bericht: Victor von Graffenried; Bilder: Autor und Alex Erdiakoff